Kein Thema schafft solche Kontroversen wie das Impfen. Ein Blick auf die Fakten schafft Klarheit in einem Bereich  in dem viele Unwahrheiten kursieren. Foto: © iStock.com/gopixaa (www.ohlenschlaeger.info)
Kein Thema schafft solche Kontroversen wie das Impfen. Ein Blick auf die Fakten schafft Klarheit in einem Bereich in dem viele Unwahrheiten kursieren. Foto: © iStock.com/gopixaa (www.ohlenschlaeger.info)

Impfen? Die Wissenschaft spricht dafür.

Kein Thema schafft solche Kontroversen wie das Impfen. Jüngster Auslöser: Regisseur David Sieveking. Sein Buch und Film „Eingeimpft“ ließ die Gemüter in ganz Deutschland erhitzen. Darin versucht er auf eigene Faust herauszufinden: Welche Impfungen sind für Kinder gut und welche nicht? „Letztlich verbreitet dieser Film zahlreiche Fehlinformationen und wiederholt Mythen, die wissenschaftlich längst widerlegt sind“, kritisiert Klaus Cichutek vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Die Wissenschaft steht auf Seiten der Impfbefürworter – wie die Fakten zeigen.

Etwa drei Viertel der 24 Monate alten Kinder (73,9 %) in Deutschland (Geburtsjahrgang 2014) verfügen über die zweite Impfdosis gegen Masern. Das ist erst einmal positiv: Schließlich entscheidet sich die große Mehrheit der Eltern für die Vakzine. Doch laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine stabile Impfquote von mindestens 95 Prozent notwendig, um die potenziell lebensbedrohliche Infektionskrankheit ausrotten zu können. Noch gibt es also zu viele Menschen, die die Impfung nicht durchführen lassen. Manche vergessen sie einfach – andere aber sind verunsichert. Schließlich kursieren in diesem Bereich viele Gerüchte, Mythen und Unwahrheiten.

Ein Beispiel: Immer wieder heißt es, dass es für Kinder wichtig sei, sogenannte Kinderkrankheiten durchzumachen, um das Immunsystem zu stärken. Fakt aber ist: Diese These ist bis heute nicht belegt. Die Experten vom Robert Koch-Institut (RKI) betonen ganz im Gegenteil: Es „steht […] außer Frage, dass Kinder in der Regel durch Infektionen in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden und gesundheitliche Komplikationen bis hin zu Todesfällen die Folge sein können.“ Überhaupt: Die Bezeichnung „Kinderkrankheiten“ führt viele in die Irre. Sie ist nicht gleichzusetzen mit dem Adjektiv „harmlos“, sondern zeigt an, dass diese Krankheiten lange Zeit vor allem im Kindesalter auftraten. „Ende der 1940er Jahre, bevor Impfungen verfügbar waren, starben in Deutschland pro Jahr mehrere Tausend Menschen an typischen Kinderkrankheiten wie Diphtherie, Keuchhusten oder Kinderlähmung“, so das RKI.

Impfungen: Nutzen-Risiko-Abwägung

Doch was ist mit den möglichen Nebenwirkungen, mögen manche Impfskeptiker an dieser Stelle fragen. Grundsätzlich gilt: Jede medizinische Maßnahme ist immer eine Abwägung von Nutzen uns Risiko. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt nur diejenigen Impfungen, die ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil aufweisen – und in Studien belegt haben, dass sie sicher, wirksam und notwendig sind. 

Unbestritten ist, dass Impfungen Nebenwirkungen haben können. Meistens sind das etwa Rötungen, Schwellungen oder leichtes Fieber. „Dabei handelt es sich zum Teil um erwünschte Reaktionen des gesunden Immunsystems auf den verabreichten Impfstoff“, beruhigt das RKI. Auf der anderen Seite steht der Nutzen der Impfung. Im Fall von Masern kann sie vor Hirnhautentzündungen, Erblindung oder Tod schützen. Übrigens: Jener Arzt, der nach einer kleinen Studie mit zwölf Kindern das Gerücht in Umlauf brachte, dass ein Zusammenhang zwischen der Masern-Mumps-Röteln-Impfung und Autismus bestehe, hat bereits vor acht Jahren seine Zulassung verloren. Der Grund: Er hatte Geld von Anwälten erhalten, die die Eltern von an Autismus erkrankten Kindern vertraten. Doch sein in die Welt gesetztes Gerücht hält sich bis heute.

Kinderimpfung © iStock.com/LightFieldStudios
Kinderimpfung © iStock.com/LightFieldStudios

Nur geringe Antigen-Menge

Ob nun Tetanus, Keuchhusten oder Kinderlähmung: Heutzutage stehen einige Impfungen zur Verfügung, um sich gegen diverse Krankheiten schützen zu können. Die Sorge mancher Eltern, das Immunsystems des Kindes mit den übertragenen Antigenen zu überlasten, ist unbegründet. „Tatsächlich setzt sich das kindliche Immunsystem, das für diese Aufgabe gut gerüstet ist, tagtäglich mit einer vielfach größeren Menge von Antigenen auseinander, als dies bei Impfungen der Fall ist“, erklärt das RKI. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass Mehrfachimpfstoffe eine Überlastung darstellen.

Fakt ist: Ein Impfstoff erhält laut geltendem Arzneimittelrecht nur dann eine Zulassung, wenn seine Wirksamkeit und Verträglichkeit nachgewiesen ist. Auch, wenn er bereits auf dem Markt verfügbar ist, werden weitere Studien durchgeführt, um ihn fortlaufend zu untersuchen. „Daher konnten bei Impfstoffen, die bereits seit vielen Jahrzehnten eingesetzt werden, zum Beispiel beim Masernimpfstoff, Wirksamkeit und Sicherheit bei Millionen von Menschen belegt werden“, schreibt dazu das RKI und weist auf die „Tatsache“ hin, „dass die Masern weltweit erfolgreich zurückgedrängt und Todesfälle vermieden werden konnten.“

Impfungen: Opfer des eigenen Erfolgs

Impfungen weisen eine beeindruckende Erfolgsbilanz auf. Beispiel Kinderlähmung (Poliomyelitis): Eine Vakzine wurde Anfang der 1960er Jahre eingeführt. Erkrankten 1961 noch fast 4.700 Kinder, waren es vier Jahre später weniger als 50. Seit fast dreißig Jahren nun gab es in Deutschland gar keine Polio-Fälle mehr. 

Für viele Menschen ist das die Begründung nicht zu impfen: Schließlich gibt es die Erkrankung nicht mehr, so das Argument. Doch das ist ein gefährlicher Trugschluss. Denn: „Sinkende Impfquoten bergen prinzipiell auch die Gefahr neuer Epidemien“, so das RKI. Als Beispiel nennt das Institut „die Diphtherie-Wellen in Russland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion“. Dort erkrankten in den neunziger Jahren in Folge sinkender Impfquoten insgesamt über 150.000 Menschen; mehr als 6.000 verstarben. „Im Zuge solcher Epidemien können durch den internationalen Reiseverkehr Infektionen auch nach Deutschland eingeschleppt werden.“

Impfungen schützen 

Die Menschheit hat heute viele Instrumente, um Krankheiten zu bekämpfen. Neben einer verbesserten Hygiene oder Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionen sind Impfungen eine wichtige Säule. Genauso wie nicht jedes Medikament bei jedem Menschen wirkt, schützt jedoch nicht jede Impfung alle Geimpften. Die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung können sie dennoch deutlich senken. 

„Man stelle sich folgendes Szenario vor: In einer Grundschule träte eine Masern-epidemie auf. Die eine Hälfte der Schüler wäre geimpft, die andere nicht. Statistisch gesehen würden etwa 97 bis 98 Prozent der nicht geimpften Schüler erkranken, wohingegen unter den Geimpften nur zwei bis drei Prozent erkrankten“, erklärt das RKI. Und auch die Grippe-Impfung, die den Ruf hat, nicht besonders effektiv zu sein, ist für Ältere oder chronisch Kranke, bei denen die Influenza zu besonders schweren Komplikationen führen kann, durchaus sinnvoll: „Je nach Alter und Gesundheitszustand schützt sie etwa 40 bis 75 Prozent der Geimpften vor Grippe“. 

Wissenschaft vs. Fake News?

Derartige Fakten zeigen: Die Wissenschaft bietet einige Argumente, die für das Impfen sprechen. Trotzdem unternimmt Regisseur David Sieveking in seinem Film den Versuch, einen persönlichen „Impfplan“ aufzustellen. „Was vorbildlich klingt, ist äußerst problematisch. Denn es gibt bereits einen Impfplan. Er ist das Produkt langjähriger, intensiver, objektiver Auswertungen“ der STIKO, kommentiert ZEIT-Redakteur Jakob Simmank. Zwar sei Wissenschaft immer nur eine Annäherung an die Wirklichkeit. „Aber sie ist – gerade wenn es ums Impfen geht – eine verdammt gute Annäherung, die auf jahrzehntelanger Arbeit fußt“, schreibt er. 

Impfen: Ja oder Nein? Obwohl es hier auch um eine soziale Verantwortung geht, muss das letztlich jeder selbst entscheiden, denn in Deutschland gibt es keine Impfpflicht. Die wissenschaftlichen Fakten sprechen klar dafür – sie müssen sich jedoch im Zeitalter der sozialen Medien zunehmend gegen Fake News behaupten, wie eine jüngst veröffentlichte US-amerikanische Studie zeigte. Sie hatte herausgefunden, dass Software-Roboter und russische Trolle Falschinformationen zum Impfen im Internet verbreitet haben. So hätten etwa die automatisierten Bots mit Angaben über die vermeintlichen Gefahren des Impfens versucht, Nutzer über Verlinkungen auf fragwürdige Webseiten oder Werbeangebote zu bringen. Gegen solche Trolle und Bots hat es selbst die Wissenschaft schwer.

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