Deutschland diskutiert die Impfpflicht für Masern. Doch die könnte negative Folgen auf andere Impfungen haben  wie eine Studie zeigt. Foto: © iStock.com/LightFieldStudios
Deutschland diskutiert die Impfpflicht für Masern. Doch die könnte negative Folgen auf andere Impfungen haben wie eine Studie zeigt. Foto: © iStock.com/LightFieldStudios

Ein bisschen Impfpflicht?

Deutschland diskutiert die Impfpflicht für Masern: Steigen Infektionsraten an, wie das zurzeit bei den Masern passiert, ist die Debatte über eine zumindest partielle Impfpflicht nicht weit. Doch die könnte negative Folgen auf andere Impfungen haben, wie eine Studie zeigt.

In einem Land wie Deutschland, in dem eine generelle Impfpflicht als politisch nur schwer durchsetzbar gilt, entwickelt sich eine partielle Impfpflicht gegen bestimmte Krankheiten in der öffentlichen Wahrnehmung zum heiligen Gral des Infektionsschutzes. Nach einer aktuellen Umfrage ist die Mehrheit der Menschen in Deutschland für eine Impfpflicht gegen Masern, wie die BILD-Zeitung schreibt. Und auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich dafür ausgesprochen. Thomas Fischbach, Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) glaubt nicht, dass Deutschland das Ziel, die Masern bis 2020 auszurotten, ohne Impfpflicht erreichen kann. Auf kinderaerzte-im-netz fordert er: „Die Zeit ist reif für ein Gesetz.“

Im Grunde ist es verwunderlich, dass Impfungen Akzeptanzprobleme haben. Denn sie „gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen“, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) und fasst damit zusammen, was sich in vielen Studien immer wieder bestätigt hat. Die Wissenschaft spricht klar für das Impfen (s. Pharma Fakten). Die Masern-Impfung hat weltweit – das geht aus Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor – zwischen 2000 und 2017 21 Millionen Todesfälle verhindert (s. Pharma Fakten).

Hat die „kleine“ Impfpflicht negative Folgen auf das Impfverhalten?

Die Psychologin Cornelia Betsch, Erfurt, sieht eine „kleine“ Impfpflicht kritisch. Sie beruft sich dabei auf ihre Studie „Detrimental Effects of Introducing Partial Compulsory Vaccination: Experimental Evidence”, die sie im European Journal of Public Health veröffentlicht hat. Ihre Untersuchung hat mit Instrumenten von spieltheoretischen und psychologischen Modellen untersucht, welchen Einfluss eine Pflicht für eine bestimmte Impfung auf die Entscheidung für andere, freiwillige Impfungen hat. Das Ergebnis: Eine verpflichtende Impfung gegen eine bestimmte Krankheit würde zwar vermutlich die Impfraten gegen diese Krankheit nach oben treiben – allerdings zu dem Preis, dass Impfraten gegen andere Krankheiten sinken könnten. Denn gerade unter ihren gegenüber von Impfungen zurückhaltenden Probanden hat sie einen höheren Wutpegel („increased level of anger“) messen können. Die Entscheidung gegen eine freiwillige Impfung wäre dann eine Reaktion darauf, sich auf diese Weise seine Entscheidungsfreiheit „zurückzuholen“. Auf Twitter schreibt Betsch: „Eine teilweise #Impfpflicht kann dazu führen, dass die anderen freiwilligen Impfungen weniger wahrgenommen werden. Eine Impfpflicht kann zwar die Impfquote für die Pflichtimpfung erhöhen, andere aber möglicherweise beschädigen.“ Impfpflicht? Für die Psychologin funktioniert sie nur ganz – oder gar nicht. Sie hält es sowieso für besser, nicht mit dem Finger auf Impfgegner zu zeigen, sondern zunächst einmal die praktischen Hürden aus dem Weg zu räumen, die Menschen daran hindern, sich impfen zu lassen. Denn wirkliche Impfgegner sind nur ein verschwindend geringer Teil der in Deutschland lebenden Menschen. Dem Bundesgesundheitsminister schreibt sie per Tweet ins Pflichtenheft: „Ich wünsche mir, dass beim nächsten Ausbruch in die Kamera gesagt wird: ´Impfen muss einfacher werden. Ich kümmere mich darum`.”

Auch der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) setzt erstens lieber auf Freiwilligkeit und zweitens darauf, mit einem Maßnahmenbündel die Impfraten zu erhöhen – etwa durch den Ausbau der Erinnerungssysteme und die Verbesserung des Impfmanagements. Frei nach dem Motto: Wenn die Menschen nicht zur Impfung gehen, muss die Impfung halt zu den Menschen kommen.

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