Kaufmännische Krankenkasse (KKH) nennt Anstieg „besorgniserregend“

„Arzneimittelkosten schießen in die Höhe“ oder einfach nur: „Arzneimittelkostenexplosion“: Was nach dem Ende des GKV-finanzierten Gesundheitssystems klingt, ist nicht weiter überraschend – und vor allem das Resultat eines abgesenkten Zwangsrabatts.

Die KKH meldet gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei den Ausgaben für Arzneimittel ein Plus von fast 10 Prozent. Bereits im Juli hatte die Bild-Zeitung einen ähnlichen Wert genannt. Ein Zehntel – das klingt viel, ist aber überraschungsarm. Es gibt ein ganzes Bündel von Erklärungen für diesen Zuwachs. Vor allem heißt es aber eins: Die Preise für Medikamente sind nicht gestiegen.

Hauptgrund für den Zuwachs ist die Absenkung des Zwangsrabattes für pharmazeutische Anbieter von 16 auf 7 Prozent, meldete die Bild-Zeitung im Juli. Dieser Rabatt gilt für alle patentgeschützten Arzneimittel, deren Preis nicht über Festbeträge reguliert ist. Hier wurde ein gesetzlicher Zwangsrabatt zurück gefahren, der als „Sonderopfer“ für fast dreieinhalb Jahre gegolten hatte und die Industrie über fünf Milliarden Euro gekostet hat. Die vom Zwangsrabatt betroffenen Medikamente machen aber nur einen Teil des Marktes aus. Es muss folglich noch andere Faktoren geben, die preistreibend wirken.

Es geht um Arzneimittelversorgung

Was in der GKV-Bilanz als „Ausgaben für Arzneimittel“ bilanziert wird, müsste eigentlich „Ausgaben für die Arzneimittelversorgung“ heißen: Denn hier werden nicht nur die reinen Kosten für das Arzneimittel aufgeführt, sondern auch die Ausgaben für die Distribution, Beratung und Abgabe (Großhandel und Apotheke) oder die abgeführte Mehrwertsteuer. Warum das wichtig ist, zeigt sich hier:

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Vergütung der Apotheken verändert – u.a. durch die Einführung der Pauschale für geleistete Notdienste zum 1. August 2013 in Höhe von 16 Cent pro abgegebener Packung (Gesamtvolumen 100 Mio. Euro) – ein zusätzlicher Ausgabenposten.

Nicht zu vergessen: Für jeden Euro, den die GKV für ein Arzneimittel ausgibt, laufen beim Finanzminister 16 Cent als Einnahmen auf: Insgesamt profitierte der Fiskus in 2013 allein an den Einnahmen aus der Arzneimittelversorgung mit rund 4,5 Milliarden Euro.

Neue Medikamente – kosten Geld, sparen Geld

Für einen Teil der Mehrausgaben wird immer wieder das Wortungetüm „Strukturkomponente“ angeführt – hinter der sich die Einführung neuer Therapieoptionen für bislang nicht medikamentös behandelbare Krankheiten und die Veränderung von Therapien hin zu neuen, besser wirksamen Arzneimitteln verbirgt. Die Strukturkomponente steht für eine bessere, innovativere Behandlung der Patienten mit neuen Medikamenten – etwa wenn Epileptiker dank neuer Arzneimittel besser versorgt werden können. Und das kostet – kann aber in anderen Bereichen der Volkswirtschaft massiv Geld einsparen. Denn: „Unter Effizienzaspekten stellen die Arzneimittelausgaben […] einen Produktionsfaktor dar, der zur ambulanten und stationären Behandlung sowie zur Rehabilitation und Pflege überwiegend in einem komplementären, teilweise auch in einem substitutiven Verhältnis steht“ , schreiben die Gesundheitsweisen in ihrem neuesten Gutachten.

Ein Teil der Zuwächse erklärt sich damit, dass zunehmend in der Klinik begonnene Therapien früher als bislang ambulant fortgesetzt werden können oder ganz und gar ambulant behandelt werden. Auch das sind Kosten, die Ergebnis einer verbesserten Versorgung sind – und das Potential haben, in anderen Sektoren – z.B. in Krankenhäusern – Geld einzusparen.

Gut investiert

Schließlich wirken sich zwei demographische Faktoren ausgabensteigernd aus: Erstens: Wohl auch 2014 setzt sich der Trend zum Bevölkerungszuwachs durch den hohen Zuwanderungsüberschuss fort. Dieser dürfte im hohen sechsstelligen Bereich liegen. Zweitens: Die zunehmende Alterung der Bevölkerung, verbunden mit einer „Chronifizierung“ und „Multimorbidisierung“ vieler Krankheiten bleibt ein stetig wachsender Ausgabentreiber.

Der Ausgabenanstieg in der Arzneimittelversorgung hat also viele Väter: Er ist entweder politisch gewollt (Apothekenvergütung), medizinisch erwünscht (neue Therapiemöglichkeiten und mehr ambulante Behandlung) oder demographisch bedingt und deshalb kaum zu beeinflussen (Bevölkerungswachstum und Alterung). Diesen Ausgaben für Arzneimittel steht jedoch eine Gesundheitsdividende gegenüber, die sich zum Beispiel im Erhalt einer längeren Erwerbsfähigkeit, hinaus geschobener Pflegebedürftigkeit und einer längeren Lebenserwartung niederschlägt.

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