© Pharma Fakten e.V.
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Kopfschmerzen betreffen zunehmend die Mittelschicht

Kopfschmerzen gelten als Volkskrankheit. Allein in Deutschland leiden mehr als 70 Prozent der Menschen zeitweise unter einer der insgesamt über 300 verschiedenen Arten von Kopfschmerz. Anlässlich des heutigen Weltkopfschmerztages hat Pharma Fakten den Präsidenten der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Prof. Dr. Andreas Straube, hinsichtlich des aktuellen Standes und der Perspektiven beim Thema Kopfschmerz befragt.

Frage: In der Presse liest man immer wieder Schlagzeilen wie „Kopfschmerzen nehmen zu“ oder „Jeder zweite Grundschüler klagt über Kopfschmerzen“. Lässt sich tatsächlich ein Trend hin zu mehr Kopfschmerzen ausmachen?

Prof. Dr. Andreas Straube: Diese Schlagzeilen sind sicher nicht ganz unbegründet. Kopfschmerzen betreffen alle sozialen Schichten. Insgesamt lassen sich nur graduelle Unterschiede zwischen den Gruppen ausmachen. Eine Studie im süddeutschen Raum hat kürzlich erst ergeben, dass etwa 80 Prozent der Gymnasiasten zwischen zwölf und 16 Jahren an Kopfschmerzen leiden. Aber nicht nur unter Schülern sind Kopfschmerzen ein Thema.

Bei welchen Personengruppen nehmen Kopfschmerzen besonders zu?

Straube: In Deutschland lässt sich vor allem in den mittleren Schichten eine Zunahme von Kopfschmerzen ausmachen. Eine Studie, die die Kopfschmerzhäufigkeit über die letzten 20 Jahre untersucht hat, stellt fest, dass speziell in den Einkommensgruppen ab 3.500 Euro pro Monat Kopfschmerzen zunehmen. Gleiches gilt für Beamte. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Blick in die USA: Hier nehmen Kopfschmerzen vor allem in den unteren sozialen Schichten zu.

Wo liegen die Ursachen für diese Zunahme von Kopfschmerzen?

Straube: Um eine wissenschaftlich fundierte Aussage hierzu zu treffen, ist die Datenlage bisher leider zu knapp. Als sicher gilt jedoch, dass Stress ein wesentlicher Faktor für das Auftreten von Kopfschmerzen ist. Der steigende Anteil Jugendlicher, die unter Kopfschmerz leiden, könnte somit durch einen allgemeinen Wandel im Lebensstil sowie eine höhere alltägliche Stressbelastung zu erklären sein. Ähnliches gilt für die Mittelschichten: Hier wird es zunehmend schwerer seinen eigenen Status-Quo zu halten. Sicherlich auch ein enormes Stresspotenzial.

Was bedeutet es, regelmäßig an Kopfschmerzen zu leiden? Kann das langfristige Auswirkungen haben?

Straube: Gelegentliche Kopfschmerzen gehören zum Leben dazu und haben in der Regel keine großen Auswirkungen auf den Alltag. Ein wirkliches Problem sind sie allerdings, sobald sie hochfrequent oder chronisch (ab acht bis zehn Tagen pro Monat) auftreten. Dann werden Kopfschmerzen zu einem großen Leid für die Betroffenen. Die Krankheit kann die Patienten extrem in ihrem Alltag einschränken. So haben Menschen, die unter chronischer Migräne leiden, zum Beispiel ein 20 bis 30 Prozent höheres Risiko, arbeitslos zu sein. Nicht ohne Grund listet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Kopfschmerzen sogar unter den zehn Erkrankungen mit den stärksten funktionellen Behinderungen weltweit auf.

Wie sieht eine moderne Kopfschmerztherapie aus und welche Rolle spielen Medikamente dabei?

Straube: Grundsätzlich muss bei der Kopfschmerztherapie zwischen der Prophylaxe, also der Kopfschmerzvorbeugung, und der Behandlung des akuten Kopfschmerzes unterschieden werden. Als Gesamtkonzept greifen beide Ansätze ineinander. In der Prophylaxe spielen auch nicht-medikamentöse Ansätze wie Sport- und Verhaltenstherapie eine wichtige Rolle. Eine Akuttherapie ohne Medikamente ist trotz zahlreicher gut gemeinter Hausfrauentipps jedoch nicht denkbar. Wichtig bei der medikamentösen Behandlung ist, dass die Einnahme der Medikamente bewusst erfolgt – das heißt gezielt und nicht zu häufig.

Realistisch betrachtet, welcher zukünftige Forschungserfolg würde Kopfschmerzpatienten Ihres Erachtens nach am meisten helfen?

Straube: Wenn es uns gelingt, den Zusammenhang zwischen Stress und der Erregbarkeit des Gehirns zu verstehen und zu modulieren, dann wäre der wesentliche Schritt zur Lösung des Problems Kopfschmerz getan. Außerdem müssen zielgerichtete Medikamente entwickelt werden. Der Forschungsfokus darf nicht allein auf großen Indikationsgebieten wie der Migräne liegen. An einzelnen Stellen ist hier noch Luft nach oben.

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