Eine Patientenbefragung zeigt: Zu wenige immunsupprimierte Menschen wissen um ihr erhöhtes Infektionsrisiko. Foto: ©iStock.com/Esben_H
Eine Patientenbefragung zeigt: Zu wenige immunsupprimierte Menschen wissen um ihr erhöhtes Infektionsrisiko. Foto: ©iStock.com/Esben_H

Impfstoff-Versorgung: Ein halber Schritt zurück?

Mindestens zwei Impfstoffhersteller sollen bei regionalen Rahmenverträgen künftig zum Zuge kommen. Ein Rückschritt, findet der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Und auch in der Unionsfraktion im Bundestag regt sich Unmut. Schließlich waren Rabattverträge für Impfstoffe gerade erst abgeschafft worden. Und das aus gutem Grund.

Impfstoffe sind ein sensibles Gut. Ihre Herstellung auf Basis langwieriger biologischer Prozesse birgt Unwägbarkeiten, die bei der Produktion einer Pille in der Regel nicht auftreten. Deshalb sehen es selbst Impfstoffhersteller gerne, dass auch die Konkurrenz auf dem Markt ist. Denn sie wissen: Sollte es zu Produktionsproblemen oder -engpässen kommen, können Mitbewerber zumindest teilweise einspringen. Damit kann sichergestellt werden, dass aus einem Produktionsengpass eines Herstellers kein Versorgungengpass für die Bevölkerung wird. 

Nicht ohne Ironie ist, dass ausgerechnet die Gesundheitspolitik diesen Sicherheitsaspekt immer wieder aushebelt. Jüngstes Beispiel: Der Referentenentwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), der eigentlich für schnellere Arzttermine sorgen soll. Dort will das Bundesgesundheitsministerium künftig festschreiben, dass die Krankenkassen die Kosten für Impfstoffe bis zum Preis des zweitgünstigsten Herstellers übernehmen sollen, damit auf jeden Fall zwei Hersteller bereitstehen: „Dies ist zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Impfstoffversorgung und zeitweiligen Lieferproblemen von Impfstoffen erforderlich, da andernfalls nicht gewährleistet ist, dass Impfstoffe unterschiedlicher Hersteller für die Versorgung zur Verfügung stehen“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Impfstoffversorgung: Mit der Kritik steht der BPI nicht allein

Das klingt gut – ist es aber laut BPI nicht: „Nicht ohne Grund wurden Rabattverträge für Impfstoffe trotz der Zweipartnerlösung abgeschafft“, sagt BPI-Vorstandsvorsitzende Martin Zentgraf. Zwei Anbieter seien zwar besser als einer, aber gerade bei Impfstoffen eben keine Versorgungsgarantie, sollte einer ausfallen – und zwar egal in welcher Vertragskonstruktion: „Wenn der Gesetzgeber die Impfstoffversorgung sicherstellen will, dann müssen die Impfstoffe aller Hersteller zur Verfügung stehen. Exakt dies hatte der Gesetzgeber erst im vergangenen Jahr mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) geregelt.“ Unterstützung bekommt der Verband aus den Reihen der Unionsfraktion. Bundestagsabgeordneter Tino Sorge glaubt, dass eine solche Regelung einer gesetzlich veranlassten Einschränkung der Herstellervielfalt gleichkäme, womit das „Problem der Oligopolisierung im Impfstoffsektor zementiert würde.” Schließlich bestehe in der Koalition weitreichender Konsens, dass dies im Impfstoffmarkt unzweckmäßig wäre, weil die Versorgung im Fall kurzfristiger Lieferprobleme beeinträchtigt würde, wie die Ärzte Zeitung berichtet.

Kalendereintrag: Impfung © iStock.com/gopixaa (www.ohlenschlaeger.info)
Kalendereintrag: Impfung © iStock.com/gopixaa (www.ohlenschlaeger.info)

Denn diese Erfahrung hatte man eigentlich schon gemacht: Öffentliche Ausschreibungen gerade bei Grippeimpfstoffen mögen dabei helfen, den einen oder anderen Euro zu sparen. Der optimalen Versorgung der Menschen dienen sie nicht wirklich. Deshalb hatte die Politik mit dem AMVSG die Rabattverträge für Impfstoffe im Jahr 2017 aus dem Sozialgesetzbuch gekippt. Das Ziel: Es sollten den verschreibenden Ärzten grundsätzlich die Impfstoffe aller Hersteller zur Verfügung stehen. Das AMVSG beendete die jahrelange Praxis, nach der Krankenkassen ihren Bedarf ausgeschrieben hatten, um dann dem günstigsten Anbieter den Zuschlag zu geben. Nur der niedrigste Preis spielte eine Rolle. Wer darüber lag, war raus. Aspekte wie Versorgungssicherheit – also der möglichst optimalen Versorgung der Menschen mit Impfstoffen – spielten hingegen keine Rolle.

Zum Sparen auf Kosten der Versorgungssicherheit gibt es keine Gründe

Das Kuriose: Das Verbot von Rabattverträgen soll auch bestehen bleiben. Parallel dazu ermöglicht das Sozialgesetzbuch aber regionale Rahmenverträge zur Arzneimittelversorgung. Der Paragraph 129 Abs. 5 regelt, dass die Krankenkassen oder ihre Verbände „mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen“ können. Und hier will nun das Bundesgesundheitsministerium via TSVG eine Zwei-Hersteller-Regelung zementieren. Dabei gibt es bereits ein plastisches Beispiel, wie gut das nicht funktioniert. Für die Festpreisvereinbarung für Grippeimpfstoffe der AOK Nordost mit den entsprechenden Apothekerverbänden hatte am Ende nur ein Hersteller mitgeboten, weil die Konditionen zu unattraktiv waren. Schon damals hatte der BPI die Konstruktion des § 129 kritisiert und gefordert, von der „riskanten Praxis exklusiver Impfstoffverträge Abstand zu nehmen. […] Die Vertragskonstruktion der AOK Nordost stellt eine Versorgungssituation her, die in ihrer Wirkung der eines exklusiven Rabattvertrages gleichkommt und mithin auch dieselben Risiken bei Lieferausfällen birgt“, so der Verband in einer Pressemitteilung.

Einen Schritt nach vorne – und nun ein halber zurück? Da stellt sich die Frage nach Warum. Allerdings wird man auch beim Blick auf die Ausgaben nicht schlauer: Im Jahr 2011 hatte die Politik ein Instrument zur Kostendämpfung bei Impfstoffen eingeführt – die europäische Referenzpreissystematik. Seitdem sind die Ausgaben für gesetzlichen Krankenkassen für Grippeimpfstoffe um eine neunstellige Summe zurückgegangen – die Rede ist von rund 150 Millionen Euro. Soll heißen: Zum Sparen auf Kosten der Versorgungssicherheit gibt es keine Gründe.

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