© Pharma Fakten e.V.
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Viel Licht, aber auch Schatten

Zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu Arzneimitteln. Seit 2008 misst der Access to Medicine-Index, was die Pharmaindustrie tut, um die medizinische Versorgung in armen Ländern zu verbessern. Der 2014er-Report stellt fest: „Die führenden Pharmaunternehmen der Welt tun mehr, um den Zugang zur medizinischen Versorgung in Entwicklungsländern zu verbessern.“

Zum vierten Mal hat es das britische Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK) an die Spitze des Access-to-Medicine-Index geschafft. GSK überzeuge in allen relevanten Bereichen, die für den Index herangezogen werden, heißt es in dem Bericht. Dabei ist es für den Index nicht nur relevant, wieviel die Unternehmen in Forschung und Entwicklung investieren oder wie stark die Pipeline ist. Bewertet werden auch innovative Preisstrategien, der Umgang mit Patenten und wie sehr „Access-Politik“ in die strategischen Entscheidungen eingebunden ist; oder einfacher: Wie hoch das Thema in einem Unternehmen aufgehängt ist. Auf den zweiten Platz landete Novo Nordisk. Die Dänen verbesserten sich in fünf der sieben Bereiche und katapultierten sich von Platz sechs auf Platz zwei des Rankings. Für jedes der 20 Unternehmen wird ein „Company Report Card“ erstellt. Die wesentlichen Aussagen des Berichts sind:

Viele Arzneien für ärmere Länder

  • Die Unternehmen entwickeln zurzeit über 300 Produkte, die auf die medizinischen Bedürfnisse armer Länder ausgerichtet sind. Seit dem Index 2012 sind mindestens 30 Produkte aus der Pipeline gegen elf für Entwicklungsländer bedeutsame Krankheiten auf den Markt gekommen. Dazu gehören unter anderem das erste neue Präparat gegen multiresistente Tuberkulose seit 40 Jahren  (Johnson &  Johnson) und eine Tablette zur Heilung von Hepatitis C (GILEAD). Das Unternehmen hat Lizenzen vergeben, die den Vertrieb zu generischen Preisen in mehr als 91 Entwicklungsländern ermöglichen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen entwickelt “kindgerechte” Arzneimittel wie Flüssigkeiten, Kautabletten, kindgerechte Dosierungen oder neue Rezepturen. Zwar deckt die Pharmaforschung alle Krankheitsklassen ab, aber mehr als die Hälfte der in Entwicklung befindlichen Präparate fokussieren auf die fünf Krankheiten Diabetes, Infektionen der Atemwege, Hepatitis, HIV/AIDS und Malaria. Allerdings stellen die Autoren auch eine hohe Konzentration fest: Fünf Unternehmen entwickeln über die Hälfte der Produkte.
  • Die Preisgestaltung von pharmazeutischen Produkten ist eines der sensibelsten Themen. Mehr Unternehmen als noch in 2012 haben Preisstrategien implementiert, die sich an den Möglichkeiten der jeweiligen Länder orientieren.   „Die Industrie hat ihre Anstrengungen an mehreren Fronten intensiviert. So schenkt sie sozioökonomischen Faktoren größere Beachtung und legt Preise innerhalb der Länder zusehends maßgeschneidert fest. Mehr Unternehmen probieren innovative, zugangsorientierte Geschäftsmodelle aus.“
  • Für Pharmaunternehmen  mindestens ebenso sensibel ist die Frage von Patenten und Lizenzen. Letztere werden vergeben, um anderen Playern die Herstellung von Arzneimitteln zu ermöglichen – mit zwei Zielrichtungen: Die Lizenznehmer können in der Regel günstiger produzieren und außerdem werden Produktionskapazitäten vor Ort aufgebaut. Der Index zählt 250 Lizenzvereinbarungen auf – die meisten gelten für den Bereich HIV/AIDS.
  • Wie der Zugang zu Arzneimitteln in ärmeren Ländern verbessert werden kann, wird in der Pharmaindustrie längst nicht mehr stiefmütterlich behandelt. Erstmals, so der Index, ist das Thema in allen untersuchten Unternehmen im Spitzenmanagement angekommen. Einige der Firmen haben speziell auf diese Herausforderungen zugeschnittene Bereiche gegründet, um ihre Strategien zu definieren, zu überwachen und anzupassen. Zunehmend arbeiten sie mit lokal verankerten Interessengruppen zusammen, um passende Lösungen zu erarbeiten. Index-Bester GSK holt hier 4,9 von fünf möglichen Punkten.
  • Immer mehr Projekte drehen sich darum, Kapazitäten und Knowhow in sich entwickelnden Ländern aufzubauen. Allein seit 2012 haben neun Unternehmen damit begonnen, lokale Produktionskapazitäten aufzubauen. 17 Firmen in 39 Ländern unterstützen die Behörden beim Aufbau von Pharmakovigilanz-Systemen, also bei der systematischen Überwachung von Arzneimitteln. 18 Unternehmen helfen beim Aufbau lokaler Forschungszentren und –kapazitäten.
  • Auch Produktspenden und gemeinnützige Programme spielen eine große Rolle. Die Unternehmen orientieren sich dabei an internationalen Strategien, wie den Millenium-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, oder aber an nationalen Prioritäten.

Fortlaufend Innovationen

Wim Leereveld, Gründer und CEO des Access to Medicine Index, sieht das so: „Die führenden Unternehmen schneiden tendenziell in den meisten Bereichen gut ab, auch wenn sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Unternehmen mit Spitzenleistungen bemühen sich fortlaufend um Innovationen und müssen im Allgemeinen in mehreren Bereichen innovativ sein, um ihre Position zu halten.”

Aber: Das Team um Leereveld sieht auch Schatten. Gegen fast alle Unternehmen seien Verfahren gegen unethische Geschäftspraktiken angestrengt worden – die Ergebnisse im Untersuchungsbereich „Public Policy & Market Policy“ sind traditionell die schwächsten innerhalb aller zu bewertenden Kriterien. Die Autoren mahnen die Durchsetzung der in allen untersuchten Unternehmen implementierten Kodices an – und dass Transparenzinitiativen letztlich in allen Ländern ankommen und umgesetzt werden müssen.

Gleichwohl bricht der Niederänder eine Lanze für Pharmaunternehmen – insbesondere in Deutschland. In einem Interview mit Die Welt sagte Leereveld: “Die Deutschen gehen mit der Pharmaindustrie offenbar besonders streng ins Gericht. Dabei gibt es gerade in Deutschland viele Unternehmen, die sich ernsthaft darum bemühen, die Versorgung der Ärmsten zu verbessern.”

Der Access to Medicine-Index ist eine unabhängige Initiative, die die führenden Pharmaunternehmen danach untersucht, inwieweit sie Strategien und Aktivitäten entwickelt, um die medizinische Versorgung in Entwicklungsländern zu verbessern. Die Non-Profit-Organisation wird durch die Bill & Melinda Gates Foundation, das niederländische Außenministerium und das British Department for International Development finanziert.

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