Was sagen Patienten mit seltenen Erkrankungen zum Thema Forschung und Studienteilnahme? Die Organisation EURORDIS hat sie befragt. Foto: © rarediseaseday.org
Was sagen Patienten mit seltenen Erkrankungen zum Thema Forschung und Studienteilnahme? Die Organisation EURORDIS hat sie befragt. Foto: © rarediseaseday.org

Mit Forschung gegen seltene Erkrankungen

Sie gibt 30 Millionen Menschen mit seltenen Krankheiten in ganz Europa eine Stimme: EURORDIS, eine nicht-staatliche Allianz von Patientenorganisationen. In einer Studie hat sie Betroffene zum Thema „Forschung“ befragt. Die Organisation weiß: „Forschungsaktivitäten haben über die letzten beiden Jahrzehnte zugenommen.“ Doch angesichts der etwa 8.000 weltweit bekannten seltenen Erkrankungen ist das noch lange nicht genug.
Am 28. Februar ist Tag der Seltenen Erkrankungen. © rarediseaseday.org
Am 28. Februar ist Tag der Seltenen Erkrankungen. © rarediseaseday.org

Es sind einige Hürden, denen sich die Forschung im Kampf gegen Krankheiten, die laut Definition der Europäischen Union (EU) jeweils nur maximal fünf von 10.000 Bürgern betreffen, gegenübersieht. „Nur wenige Menschen stehen für klinischen Studien zur Verfügung“, schreibt die Organisation EURORDIS etwa in ihrem „Rare Barometer“. Hinzu kommt ein „geringes Wissen über die Ursachen […] der Erkrankungen“ oder die wirtschaftliche Herausforderung, sogenannte Orphan Drugs zu entwickeln. 

Da ist es eine gute Nachricht, wenn eine zunehmende Zahl an Medikamenten den Weg zu den Patienten schafft. Laut des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) haben gleich 16 Arzneimittel mit neuem Wirkstoff, die 2018 auf den Markt kamen, den Orphan Drug-Status in der EU. Zum Teil zielen sie auf Krankheiten ab, für die zuvor noch gar keine Therapie zur Verfügung stand. Und auch für 2019 rechnet der vfa mit einigen neuen Orphan Drugs – der medizinische Bedarf ist nach wie vor groß.

Seltene Erkrankungen: Forschung für neue Therapien

Doch es gilt: Ohne Studienteilnehmer, keine Forschungsfortschritte. EURORDIS hat im Rahmen des „Rare Barometers“ daher 3.213 Menschen aus 63 Ländern mit einer seltenen Erkrankung befragt. Das Ergebnis: Über ein Drittel (37 %) von ihnen hatte bereits einmal oder öfter an diversen Forschungsprojekten teilgenommen. 

  • 18 Prozent aller Befragten waren schon in Studien zur Entwicklung von Medikamenten involviert gewesen. (Unter den in Deutschland-Ansässigen lag dieser Wert bei 29 Prozent.)

  • 5 Prozent hatten die Entwicklung von Gentherapien unterstützt,

  • 3 Prozent sich an der Forschung zu Medizinprodukten 

  • und 15 Prozent an dem Thema „Lebensqualität“ beteiligt;

  • 1 Prozent hatte im Bereich der Marktforschung partizipiert.

Übrigens: Von denjenigen, die in Studien zur Entwicklung von Medikamenten mitgemacht hatten, hatte der größte Anteil dies im Bereich der neurologischen Erkrankungen (25 %) getan. Die Spinale Muskelatrophie (SMA), die zu einer fortschreitenden Schwäche und „Atrophie“ (Schwund) der abhängigen Muskulatur führt, ist ein Beispiel dafür. Im Jahr 2017 wurden der erste Wirkstoff gegen diese Krankheit zugelassen, weitere sind in der Entwicklung.

Im Namen der Wissenschaft

Menschen mit seltenen Erkrankungen verfolgen mit der Teilnahme in Studien häufig altruistische Motive. „Meistens erkennen die Patienten an, dass ihre Partizipation nur für zukünftige Patienten […] zu neuen Therapieoptionen führen wird“, heißt es in der Studie. „Sie wollen zu einem Wandel innerhalb der Gemeinschaft beitragen und dem wissenschaftlichen Fortschritt helfen.“ Aber es gibt natürlich auch andere Beweggründe: „Ursprünglich hatte ich teilgenommen, weil es keine Therapieoptionen für mich gab und ich mehrmals fast gestorben wäre“, erklärt etwa ein anonymer Betroffener. „Meine Eltern sahen die klinischen Studien als einen Weg mich am Leben zu halten. Es hat funktioniert, ich lebe noch immer!“

Laut des Rare Barometers haben die Betroffenen „einen starken Drang, neue Dinge über ihre Erkrankung zu lernen.“ Oft sind sie „Experten ihrer Erkrankung“ – die Teilnahme an einer klinischen Studie „gibt ihnen die Möglichkeit, neues und nützliches Wissen für den Umgang mit ihrer seltenen Erkrankung zu sammeln.“ Ein weiterer Vorteil: Menschen, die aufgrund der Seltenheit ihrer Erkrankung oft einen Mangel an Versorgungsangeboten erleben, werden von den Wissenschaftlern in Studien engmaschig betreut und regelmäßig untersucht. 

112 zugelassene Medikamente mit aktivem Orphan Drug-Status

Trotzdem gilt, wie auch die Befragten wissen: Forschung im Bereich der seltenen Erkrankungen hat einige Hürden zu nehmen – sowohl aus finanzieller als auch aus organisatorischer Sicht. Bis es ein Medikament auf den Markt schafft, ist es ein weiter Weg. Doch gerade in jüngster Zeit hat sich viel getan: 2018 lag der Anteil der Orphan-Drugs an den Neueinführungen von Medikamenten mit neuem Wirkstoff in Deutschland bei 44 Prozent. 2017 waren es 29 Prozent; 2016 und 2015 je 33 Prozent.

Eine Auswertung des vfa zeigt, was mit den Medikamenten, die in der EU den Orphan Drug-Status haben oder einmal hatten, behandelt werden kann. Das Ergebnis: 158 Wirkstoffe, die auf 131 Krankheiten abzielen. Doch trotz aller Fortschritte ist der medizinische Bedarf nach wie vor groß. Das wissen auch die Patientenvertreter. Von EURORDIS wurden sie gezielt danach befragt, welchen Forschungsfeldern aus ihrer Sicht die höchste Priorität eingeräumt werden soll. An erster Stelle nannten sie die Arzneimittelentwicklung – erst danach Themen wie Verbesserungen in der Diagnose.

Weiterführende Links:

Am 28. Februar ist Tag der Seltenen Erkrankungen: https://www.rarediseaseday.org/

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