Diabetes hat viele Gesichter. Der Bedarf an innovativen Therapien ist daher weiterhin groß.
Diabetes hat viele Gesichter. Der Bedarf an innovativen Therapien ist daher weiterhin groß.

Über 160 Medikamente für Diabetiker in Entwicklung

„Die Realität ist: In Bezug auf das Management von Diabetes gibt es keinen Ansatz, der für alle gleichermaßen passt. Denn die Erkrankung ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich“, weiß der amerikanische Verband der forschenden Arzneimittelhersteller PhRMA. Der Bedarf an innovativen Therapien ist daher weiterhin groß. Momentan sind laut PhRMA über 160 Medikamente für Zuckerkranke in Entwicklung.

„Normalerweise produziert die Bauchspeicheldrüse Insulin. Das hilft dabei, dass Glukose in die Körperzellen gelangt, wo es zur Energiegewinnung genutzt wird“, heißt es in dem PhRMA-Bericht „Medicines in Development: Diabetes“. „Bei Diabetes-Patienten stellt der Körper nicht genug bzw. gar kein Insulin her oder kann es nicht richtig nutzen. Das führt zu erhöhten Blutzuckerspiegeln.“ Bedeutet: Es ist zu viel Glukose im Blut vorhanden.

Über 400 Millionen Menschen leiden weltweit unter dieser Erkrankung – Tendenz steigend (s. Pharma Fakten). Es ist nicht allzu lange her, da sind Betroffene noch innerhalb von zwei Jahren an der Zuckerkrankheit gestorben. Doch vor 97 Jahren gelang es erstmals Insulin aus einer tierischen Bauchspeicheldrüse zu gewinnen und das Hormon bei Menschen anzuwenden. 1923 schafften es Wissenschaftler mit Hilfe von Schweinen und Rindern Insulin kommerziell herzustellen. Das erhöhte die Lebenserwartung der Betroffenen enorm – auch wenn sie nach wie vor 25 Jahre unter jener der Normalbevölkerung lag. Seit den 1980ern wird Insulin gentechnisch in großen Mengen produziert – weitere Innovationen in den Folgejahren verbesserten und vereinfachten die Therapie.

Diabetes: eine komplexe Erkrankung

„Heute helfen eine Bandbreite an Insulin-Therapien und diverse andere antidiabetische Medikamente den Patienten, mit ihrer Erkrankung zurecht zu kommen“, erklärt PhRMA. Trotz der Fortschritte aber gilt: Die Behandlung von Diabetes ist eine Herausforderung, die sorgfältiges Management und Überwachung benötigt. Es gibt Patienten, die Probleme mit der Therapietreue haben, oder die mit den verfügbaren Medikamenten den Diabetes nicht ausreichend in den Griff bekommen. Beispielsweise sind Begleiterkrankungen, die die Einnahme weiterer Arzneimittel erforderlich machen, eine zusätzliche Schwierigkeit. 

©Andrey Popov/stock.adobe.com
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Jeder Patient ist anders – genauso wie der Diabetes bei jedem Betroffenen unterschiedlich verläuft. „Manche Patienten haben eine besonders große Abneigung gegenüber Spritzen und andere – z.B. Ältere – kämpfen mit Sehschwächen, ihrer Fingerfertigkeit oder Vergesslichkeit.“ Einen Therapieansatz, der allen Zuckerkranken gleichermaßen passt, kann es daher nicht geben; eine Vielzahl an Therapieoptionen ist gefragt. Denn: „Unkontrollierter Diabetes mit anhaltend hohem Blutzucker kann zu ernsthaften und kostenintensiven Komplikationen führen“, so PhRMA. Dazu gehören etwa Herzerkrankungen, Erblindung, Nierenversagen oder Amputationen. 

167 Medikamente für Diabetes-Patienten in Entwicklung

Intensiv wird an innovativen Therapien geforscht, die die Behandlung von Diabetes weiter verbessern und vereinfachen. Laut PhRMA sind momentan über 160 Medikamente in Entwicklung (s. Grafik):

  • 77 Arzneimittelkandidaten richten sich gegen Typ 2-Diabetes, der bis zu 95 Prozent aller Fälle ausmacht und durch eine Insulinresistenz charakterisiert ist. Unter anderem steht die orale Verabreichung eines Wirkstoffes in den Startlöchern, der bereits zu Injektion zugelassen ist. Tablette statt Spritze – das wünschen sich viele Patienten.
  • 32 Präparate befinden sich für Typ 1-Diabetes in der Pipeline. Die Bauchspeicheldrüse der Betroffenen produziert kein oder nur sehr wenig Insulin. Erst kürzlich wurde in der Europäischen Union ein SGLT-Inhibitor zugelassen. Das Besondere: Er zielt auf zwei Moleküle gleichzeitig ab: SGLT1 und SGLT2. Sie spielen bei der Regulation von Glukose eine wichtige Rolle.
  • 68 Kandidaten sollen bei Leiden zum Einsatz kommen, die im Zusammenhang mit Diabetes stehen. Beispiele sind die diabetische Neuropathie, die bestimmte Nerven angreift, oder die diabetische Nephropathie, eine chronische Erkrankung, die die Nieren schädigt.

„Ihr habt vermutlich einiges Gerede über Präzisions- oder personalisierte Medizin mitbekommen – Diabetes ist hierfür ein klassisches Beispiel“, erklärt Dr. Laura Michael, Forscherin beim Pharmaunternehmen Lilly. „Eine der größten Herausforderungen […] ist die Tatsache, dass die Erkrankung bei jedem individuellen Patienten so unterschiedlich ist. Zum Beispiel kann die Typ-2-Diagnose das Ergebnis einer genetischen Veranlagung oder auf Umweltfaktoren zurückzuführen sein.“ Auch der Verlauf und die Erscheinungsform des Diabetes variieren. 

Nationale Diabetes-Strategie: Diabetesverbände legen Forderungskatalog vor

Experten befürchten, dass die Zahl der Zuckerkranken in Zukunft weiter zunehmen wird. Allein in Deutschland könnte die Zahl der Typ 2-Erkrankten um bis zu 77 Prozent auf zwölf Millionen im Jahr 2040 ansteigen, wie Wissenschaftler des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und des Robert Koch-Instituts kürzlich prognostizierten. 

Um die Erkrankung und ihre Folgen in Griff zu bekommen, sind nicht nur innovative Therapien nötig. Es braucht aus Sicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe sowie des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) u.a. auch „intensivierte Maßnahmen zur Früherkennung und Prävention“. Gemeinsam haben die Verbände ein Positionspapier veröffentlicht, das „Politikern auf Bundes- und Landesebene Orientierung bei der Umsetzung der Nationalen Diabetes-Strategie“ geben soll. In einer Pressemitteilung heißt es: „CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag 2018 eine Nationale Diabetes-Strategie beschlossen, um die Volkskrankheit gezielt zu bekämpfen. Bis heute sind jedoch sowohl die Inhalte als auch die politische Umsetzung unklar – dabei drängt die Zeit: Wie aus dem Bundesgesundheitsministerium verlautet, soll die Strategie bis Jahresende 2019 stehen.“

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