Es sieht nach einem Trend aus: Von Jahr zu Jahr lassen sich in Deutschland weniger Menschen gegen Influenza impfen. Das kostet. Foto: ©iStock.com/Yurii Yarema
Es sieht nach einem Trend aus: Von Jahr zu Jahr lassen sich in Deutschland weniger Menschen gegen Influenza impfen. Das kostet. Foto: ©iStock.com/Yurii Yarema

Deutschland impfmuffelt sich von Grippesaison zu Grippesaison

Es sieht nach einem Trend aus: Von Jahr zu Jahr lassen sich in Deutschland weniger Menschen gegen Influenza impfen. Das ist nicht nur aus gesundheitlichen Gründen ein Problem. Es kostet auch. Davor warnt das „Projekt: Grippeschutz“, eine unabhängige Initiative von Expert:innen, die das Ziel verfolgt, die Grippeimmunisierung der Menschen deutlich zu verbessern. Denn nach wie vor ist die Grippe eine der schwersten Infektionskrankheiten.
Grippeimpfung: Zielvorgabe der WHO wieder „deutlich verfehlt“
Grippeimpfstoffe: Krankheitsfälle vermeiden. Foto: Prostock-Studio / iStock.com

Es bleibt ein Rätsel, warum die Politik nicht vermehrt in Gesundheitsprogramme investiert – nicht nur, weil nur vermiedene Erkrankungen gute Erkrankungen sind, sondern auch, weil Krankheit kostet: „Regelmäßig kommt es zu einer erheblichen Anzahl von Arztbesuchen, Krankschreibungen, Hospitalisierungen und auch Todesfällen“, heißt es im Grippereport zur Saison 2023/2024 von „Projekt: Grippeschutz“: „Der in dieser Saison verursachte Krankenstand durch Atemwegserkrankungen hat nach Hochrechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) Kosten in Höhe von 32 bis 36 Milliarden Euro für die deutsche Volkswirtschaft verursacht.“

Dagegenzuhalten ist relativ einfach: Es gibt Grippeimpfstoffe; 9 verschiedene Vakzine waren in der vergangenen Saison zugelassen. Es gibt sie als Standardimpfstoffe oder als weiterentwickelte Impfstoffe (rekombinant, adjuvantiert, auf Basis von Zellkulturen, mit höherer Dosis für die Altersgruppe 60 plus oder sogar als Nasenspray). Daten zur Impfwirksamkeit in der zurückliegenden Saison gibt es bereits: Sie pendelt „für Kinder von 59 Prozent bis 67 Prozent im ambulanten Bereich“ und für Erwachsene zwischen 33 bis 49 Prozent. Produktionsbedingt schwankt die Wirksamkeit von Grippe-Vakzinen von Jahr zu Jahr. Doch die Zahlen zeigen: Bei Kindern kann die Immunisierung bis zu Zweidrittel der Geimpften schützen, bei Erwachsenen sind es im besten Szenario rund die Hälfte.

Grippeimpfung: Zielvorgabe der WHO wieder „deutlich verfehlt“

Doch zu vielen Bürger:innen ist das offenbar egal oder nicht bewusst; Deutschland impfmuffelt: „Die Impfquoten haben sich vermutlich nicht verbessert. Erneut wurde das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Impfraten von 75 Prozent unter den Älteren und anderen Risikogruppen zu erreichen, deutlich verfehlt“, heißt es in dem Report. Eine wirksame Prävention sieht anders aus.

Grippeimpfung: Zielvorgabe der WHO wieder „deutlich verfehlt“
Deutschland impfmuffelt: Eine wirksame Prävention sieht anders aus. Foto: ©iStock.com/Natali_Mis

Dabei ist „nicht verbessert“ vermutlich ein Euphemismus. Denn von den rund 23,1 Millionen Impfstoffdosen, die das Paul-Ehrlich-Institut freigegeben hatte, sind lediglich 15,95 Millionen Dosen über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet worden; 2022 waren es noch 2 Millionen mehr gewesen. „Projekt: Grippeschutz“ schreibt: „Das Problem in Deutschland ist nicht eine zu geringe Impfstoffmenge, sondern dass sich zu wenige Menschen gegen Influenza impfen lassen.“

Die Impfexpert:innen des Projekts stellen fest, dass öffentliche Kampagnen die breite Bevölkerung nur bedingt erreichen und sehen „dringenden Nachholbedarf bei der Aufklärung der deutschen Bevölkerung und insbesondere der vulnerablen Gruppen.“ Sie empfehlen den Grippeschutz für alle; bisher gilt in Deutschland eine Empfehlung nur für „Personen ab 60 Jahren, Menschen mit chronischer Grunderkrankung, Bewohner:innen von Alten- und Pflegeheimen, medizinisches Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr, Kontaktpersonen von Menschen mit bestimmtem Risiko (Kokonstrategie) und Schwangere.“ Die Kampagnen müssten besser, der Weg zur Immunisierung einfacher werden: „In diesem Zusammenhang unterstützt Projekt: Grippeschutz das Impfen in Apotheken und spricht sich ausdrücklich für den Ausbau des Impfens in Betrieben aus, um insbesondere arbeitende Erwachsene zu immunisieren.“

Grippeprävention: Das deutsche Datenproblem

Grippeprävention: Das deutsche Datenproblem
Grippeprävention: Deutschlands Impfstrategie muss innovativer werden. Foto: ©iStock.com/Yurii Yarema

Fazit: Deutschlands Impfstrategie muss innovativer werden. Der Nachholbedarf zeigt sich auch hier wieder beim Zugriff auf Gesundheitsdaten. „Wir sehen großes Potenzial durch schneller verfügbare und bessere Daten hinsichtlich des Impfgeschehens in den Grippesaisons. Eine rechtzeitige Verfügbarkeit und ein öffentlicher Zugang zu Daten zur Grippesaison ermöglichen Interventionsmaßnahmen innerhalb einer Grippesaison und eine rechtzeitige Maßnahmenplanung auf deren Basis für die Folgesaison.“ Schon ein flächendeckend eingeführter elektronischer Impfpass wäre ein Riesenschritt nach vorne.

Deutschland wird älter; ergo wird die Zahl der Menschen in Deutschland, für die eine Grippeinfektion ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf darstellt, weiter ansteigen – und das gilt damit auch für die Behandlungskosten sowie indirekte Kosten durch Arbeitsausfall oder Produktivitätsverluste. Die Grippewelle 2023/2024 war eher durchschnittlich stark – wie hoch werden die volkwirtschaftlichen Folgen erst bei einer starken Saison sein?

Weiterführender Link:
Projekt: Grippeschutz

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