Nach Freigabe der Pille danach steigen Verkaufszahlen

Verhütungspanne, Missbrauch oder Sorglosigkeit in der fruchtbaren Phase – eine ungewollte Schwangerschaft kann viele Ursachen haben. „Die Pille danach“ hilft Frauen seit vielen Jahren den Eisprung nach hinten zu verschieben. Seit dem 15. März gibt es das Notfallverhütungsmittel in Deutschland ohne ärztliches Rezept. Der Absatz der Präparate, die den Eisprung verzögern, steigt seitdem.

Der Absatz des Notfallkontrazeptivums ist im Zeitraum von Februar bis Mai 2015 um 58 Prozent gestiegen. Die Freigabe erfolgte nicht ohne Nebengeräusche. Ob politisch, fachlich oder moralisch  –  Bedenken und Fürsprache kamen von vielen Seiten. Manche befürchteten gerade bei Jugendlichen eine Sorglosigkeit bei der Verhütung. Befürworter führten hingegen den Zeitgewinn ins Feld. Mädchen und Frauen müssen nun nicht noch lange auf einen Arzttermin warten.

Laut einer Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hatten sich während der Rezeptpflicht 80 Prozent der Frauen die „Pille danach“ auf Privatrezept verschreiben lassen. Mittlerweile erwarben 81 Prozent der Frauen das Präparat in der Apotheke auf eigene Kosten, 19 Prozent ließen sich die Notfallverhütung verschreiben, 13 Prozent davon auf Privatrezept. Mädchen ab 14 Jahren können das Präparat ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten in der Apotheke erwerben. Sie müssen selbst bezahlen. Kosten erstatten die Krankenkassen nur bis zu einem Alter von 20 Jahren bei einer Verschreibung durch den Arzt.

Absätze in Bremen, Hamburg und Berlin besonders hoch

Die EU-Kommission hatte im Januar 2015 auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Rezeptpflicht für den Wirkstoff Ulipristalacetat aufgehoben. Der Bundesrat hatte Anfang März die Aufhebung in Deutschland beschlossen. Ulipristalacetat ist seit 2009 in Deutschland zugelassen und in dem Präparat „ellaOne“ enthalten. Der Hersteller vertreibt mit „PiDaNa“ auch ein weiteres Notfallverhütungsmittel mit dem Wirkstoff Levonorgestrel. Auch dieser Wirkstoff ist seit Mitte April ebenfalls rezeptfrei erhältlich. Die Verkaufszahlen für beide Präparate sind im Zeitraum von April bis Juli um 47 Prozent gestiegen,  sagt Klaus Czort, Geschäftsführer des Herstellers. Der Anstieg sei für ihn trotz Werbeverbot nicht überraschend. Czort: „Wir hatten nach der Freigabe in allen anderen Ländern auch Anstiege zu verzeichnen.“

Der Informationsdienstleister IMS Health hatte regionale Unterschiede bei den Verkaufszahlen ermittelt. Hamburg lag demnach mit mehr als 50 Prozent weit vorne. Auch Insight Health beobachtet hohe Absätze in Hamburg und den beiden anderen Stadtstaaten Bremen und Berlin. Demnach weisen im Vergleich der Bundesländer die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen die höchste Abgabe pro Einwohner auf.

Von einem „Run“ auf die Pille danach ist in der Rathaus-Apotheke in der Hamburger Innenstadt indes nichts zu spüren. „Das ist bei uns völlig im Rahmen. Selbst im Notdienst ist keine erhöhte Nachfrage festzustellen“, sagt Apotheker Bernd Harder. Man habe keinen separaten Raum für die Beratung eingerichtet, gehe aber nach einem Beratungsschema vor, dass die ABDA rausgegeben hat. Probleme hätten die Kunden mit einer möglichen fehlenden Privatsphäre nicht. Harder: „Die jungen Leute sind da obercool.“

Verhütung mit Kondom oder Diaphragma fortsetzen

Mit der Einnahme der Pille danach ist die Nachverhütung noch nicht abgeschlossen. „Mädchen und Frauen müssen unbedingt bis zum Eintreten der nächsten Monatsblutung nichthormonell verhüten, also mit einer Barrieremethode wie Kondom oder Diaphragma”, rät Prof. Thomas Rabe, Experte der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Der Ärztliche Direktor der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg weißt zudem daraufhin, dass dies auch dann gelte, wenn sie die Pille einnehmen und dies – nach einem Einnahmefehler – nach der Verwendung der Notfallverhütung fortsetzen. Denn bis zur nächsten Menstruation wirkt die Pille nicht mehr, wenn eine Notfallverhütung verwendet wurde.

Dr. Michael Achenbach vom  Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat in seiner Praxis im sauerländischen Plettenberg seit der Freigabe der Pille danach keinen einzigen Fall mehr verzeichnet. Vermutlich, so Achenbach, sei die Scham größer als der Wunsch, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Vorher wurde er gelegentlich im Notdienst mit der Nachfrage konfrontiert.  „Dabei habe ich festgestellt, dass die Unkenntnis über die Pille danach noch sehr groß ist – nicht nur bei Jugendlichen auch bei Erwachsenen.“

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: