Der vfa stellt den neuen Arzneimittel-Atlas 2016 vor. (V.l.n.r.): vfa-Pressesprecher Dr. Jochen Stemmler  vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer und Vorsitzender Geschäftsführer des IGES-Instituts Prof. Bertram Häussler. Foto: © vfa
Der vfa stellt den neuen Arzneimittel-Atlas 2016 vor. (V.l.n.r.): vfa-Pressesprecher Dr. Jochen Stemmler vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer und Vorsitzender Geschäftsführer des IGES-Instituts Prof. Bertram Häussler. Foto: © vfa

Arzneimittel-Atlas 2016: Medizinischer Fortschritt bleibt bezahlbar

Die Einspareffekte durch Patentabläufe und verhandelte Rabatte im Gesamtmarkt Arzneimittel überstiegen in 2015 die Mehrausgaben für Innovationen. Mit Blick auf die Arzneimittelausgaben plädiert der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) deshalb für eine „unaufgeregte und unvoreingenommene“ Debatte über die Kostenentwicklung bei Arzneimitteln.

 

Plus 4,4 Prozent – um diesen Beitrag sind die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel in 2015 gestiegen. Für Professor Bertram Häussler vom IGES-Institut ist das „insgesamt moderat“. Für die Jahre 2016 (4,3 Prozent) und 2017 (4,6 Prozent) rechnet er mit ähnlichen Werten. Mit 34,8 Milliarden Euro liegen Arzneimittel an dritter Stelle der GKV-Gesamtausgaben. In Berlin präsentierten der vfa und das IGES-Institut den Arzneimittel-Atlas 2016.

Mehrverbrauch von Arzneimitteln und die so genannte „Innovationskomponente“ sind Haupttreiber für den Ausgabenanstieg. Mit Innovationskomponente sind vor allem Mehrausgaben für neue Medikamente gegen schwere Erkrankungen wie Hepatitis C, Krebs, Schlaganfall oder Diabetes gemeint; sie schlugen in 2015 mit 1,135 Milliarden Euro zu Buche. Häussler wies aber darauf hin, dass allein die in 2015 realisierten Einsparungen (durch Preisrabatte im Zuge des AMNOG oder durch Patentabläufe) diese Innovationskomponente deutlich übertrafen. Im Grunde, so vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer, würden Medikamenten-Neueinführungen aus dem Arzneimittelsegment der Krankenkassen finanziert: „Und dann bleibt sogar noch etwas übrig“, so Fischer. Dass die Kassen die Zahl ganz anders interpretieren und erneut vor einer Kostenexplosion gewarnt haben, kommentierte sie mit: „Klagen gehört offenbar zum Geschäft“.

Hepatitis C-Ausgaben: Apokalypse nicht eingetreten

Schwerpunktmäßig haben sich die Atlas-Autoren in diesem Jahr die Krankheitsbereiche Hepatitis C und Krebs herausgegriffen – und damit zwei Indikationen, die in den vergangenen Monaten vor allem unter dem Kostenaspekt diskutiert wurden. Bei der chronischen Leberinfektion, bei der seit Einführung der neuen antiviralen Medikamente fast jeder Patient geheilt werden kann, hätten sich die „apokalyptischen Erwartungen“ (O-Ton: Häussler) nicht erfüllt. Denn nach dem kurzen Anstieg bei den Ausgaben haben sich die Ausgaben längst normalisiert: „Beruhigung des Verbrauchs“, nennt Bertram Häussler das. Er prognostiziert, dass die Ausgaben weiter sinken werden.

Birgit Fischer machte im Übrigen deutlich, dass sie die Ausgaben für gut angelegtes Geld hält: Die Therapiedurchbrüche setzten sich in der Versorgung durch und entlasteten letztlich auch die Krankenkassen. Schließlich entfielen nach der Heilung die lebenslangen Ausgaben für die Behandlung chronisch kranker Menschen: „Fortschritt kostet. Aber er senkt eben auch die Folgekosten“.

Dass eine Preisdiskussion über Arzneimittel-Neuheiten wenig Sinn macht, wenn man nicht auch den Nutzen dieser Innovationen betrachtet, zeigte Häussler am Beispiel Krebs: Die Sterblichkeit in Folge von Krebs ist seit 1993 um ein Viertel zurückgegangen, hat das IGES aus verschiedenen Quellen errechnet. Dazu haben laut Häussler Arzneimittel entscheidend mit beigetragen. Ihre Kosten seien auch gestiegen (auf 4,1 Milliarden Euro in 2015), ihr Anteil aber fast gleichgeblieben. „Wir sehen viele neue Einführungen, aber insgesamt eine moderate Gesamtkostenentwicklung.“

Der Bedarf an neuen Krebsmitteln ist hoch

„Der medizinische Fortschritt bleibt bezahlbar“, bilanzierte Birgit Fischer. Krebs könnte bald Herz-Kreislauferkrankungen als häufigste Todesursache weltweit ablösen. „Der Bedarf an neuen Therapien ist sehr hoch. Mittlerweile entfällt ein Drittel aller Projekte für neue Medikamente bei Pharma-Unternehmen auf den Bereich Krebs“, so die via-Chefin. Für 2016 rechnet sie mit einer zweistelligen Zahl neuer onkologischer Präparate. „Sie tragen dazu bei, dass Krebs mehr und mehr zu einer chronischen Erkrankung wird.“

Statt Spardebatten sollte lieber darüber nachgedacht werden, wie die Versorgungsqualität für Patienten weiter verbessert werden könnte – die Finanzsituation der Kassen ließe das zu. Von dem Entwurf des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) zeigte sich die Hauptgeschäftsführerin enttäuscht: „Warum jetzt Verordnungseinschränkungen? Warum jetzt ein Spargesetz?“ Der Entwurf sieht vor unter anderem vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss unter bestimmten Voraussetzungen die Verordnung neuer Medikamente einschränken kann. Fischer: „Es ist eine Fehleinschätzung, wenn man glaubt, durch Sparbeschlüsse die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems gewährleisten zu können. Angesichts der Therapiefortschritte, die uns in den kommenden Jahren erwarten, halte ich Verordnungseinschränkungen für einen Skandal.“ 

Foto: vfa-Pressefoto

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: