3,4 Milliarden Betroffene: Das ist das Ergebnis einer im Fachblatt „The Lancet Neurology“ veröffentlichten Studie, für die 37 unterschiedliche, neurologische Krankheitsbilder untersucht wurden. Zusammengenommen sind sie der Hauptgrund für Krankheit und Behinderung weltweit: Sie waren 2021 für 443 Millionen Lebensjahre, die nicht in Gesundheit verbracht wurden (= angegeben als Disability-adjusted life years, DALYs), verantwortlich – es ist ein Anstieg um über 18 Prozent im Vergleich zu 1990. Unter den „top ten“ in Bezug auf die verursachte Krankheitslast sind u.a. Schlaganfall, Migräne und Demenz (s. Grafik). Besonders stark sind Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen betroffen. Laut Weltgesundheitsorganisation sei die globale Zunahme der absoluten Fallzahlen „vor allem durch den demografischen Wandel und eine älterwerdende Bevölkerung getrieben“.
Doch noch ein Aspekt bereitet besondere Sorge: Die diabetische Neuropathie ist auf dem Vormarsch. Und wie: 206 Millionen Menschen leben inzwischen mit dieser Komplikation, die in Folge eines Diabetes entstehen kann (+310,5 % seit 1990). Dauerhaft erhöhter Blutzucker führte bei ihnen zu Nervenschädigungen – Schmerzen, gestörte Reizempfindungen, Taubheit sind typische Symptome. Manchmal ist sogar eine Amputation – etwa des Fußes – notwendig. Ein gut eingestellter Blutzucker kann dem vorbeugen.
Auch in anderen Bereichen hat sich seit 1990 viel verändert: So kamen neurologische Folgen einer COVID-19-Infektion hinzu – bei rund 23,4 Millionen Menschen im Jahr 2021. Im Gegensatz dazu treten zum Beispiel Meningitis oder Tetanus immer weniger auf – Vorbeugung (etwa in Form von Meningokokken-Impfungen), Versorgung und Forschung haben große Fortschritte gemacht.
Risikofaktoren für Krankheit besser managen
Die Wissenschaftler:innen haben sich für ihre Veröffentlichung außerdem die Risikofaktoren bestimmter Krankheiten angeschaut. Die WHO fasst das an einem Beispiel zusammen: „Schlüsselrisikofaktoren zu eliminieren – insbesondere hoher Blutdruck, atmosphärische Feinstaubbelastung und Luftverschmutzung in Haushalten – könnte bis zu 84 Prozent der durch Schlaganfall erzeugten DALYs verhindern“. Andersherum heißt das: Mehr Prävention würde viele Lebensjahre in Gesundheit schenken.
„Neurologische Erkrankungen verursachen großes Leid für die betroffenen Menschen und Familien und berauben Gesellschaften und Volkswirtschaften ihres Humankapitals“, so WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Man müsse dringend, „gezielte Interventionen verstärken“, damit die Menschen „Zugang zu der qualitativ hochwertigen Pflege, Behandlung und Rehabilitation erhalten, die sie benötigen.“ Es sei wichtiger denn je, dass die Hirngesundheit von Kindheit an mehr in den Fokus rückt.
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