„Wer hätte gedacht, dass es so schnell bei einem neuen Virus einen Impfstoff geben kann?“, so Jens Spahn in seinem Impuls für die Veranstaltung des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Man habe heute begründete Zuversicht, dass der nächste Winter [gemeint ist: Winter 2021] deutlich normaler verlaufen könne.
Aber er stellte auch fest: „Wir machen keine Abstriche bei der Zulassung.“ Im Hinblick auf den russischen Impfstoff Sputnik, bei dem unter anderem Studienphasen verkürzt wurden, betonte er, es ginge nicht darum erster zu sein. „Ich finde den Namen Sputnik V entlarvend, weil er zeigt, dass es darum geht, erster zu sein. Sputnik ist übrigens nie auf dem Mond angekommen. Wir wollen nicht erster sein. Wir wollen sichere und wirksame Impfstoffe, weil nur sie das nötige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger schaffen, sich auch impfen zu lassen.“
Die Impfstoffentwicklung ist europäisch
Vfa-Chef Han Steutel betonte, dass 70 bis 80 Prozent der globalen Impfstoffentwicklung und -herstellung in Europa stattfinden – Impfstoffe und das dazu notwendige Knowhow sind in besonderem Maße mit der europäischen Industrie verbunden. Die Entwicklung der vergangenen Monate zeige, zu was man in Deutschland fähig sei. Im Hinblick auf die Sorgen der Menschen erklärte er: „Wir sind extrem sorgfältig.“ Aber er macht auch klar: „Normalerweise reden wir über Patientenpopulationen von Tausenden, Hundertausenden, vielleicht Millionen. Jetzt reden wir über Impfungen für Milliarden Menschen.“ Das bedeute, dass es Nebenwirkungen geben könne, „die wir jetzt noch nicht kennen“. Diese Offenheit ist ihm wichtig. „Umgekehrt: Wenn man sich nicht impft und dann krank wird, ins Krankenhaus kommt oder sogar stirbt…“. Es gehe immer um eine Balance, eine Abwägung – bei jedem Impfstoff, bei jedem Arzneimittel.
Die SARS-CoV-2-Pandemie ist ein Jahrhundertereignis, so Spahn. „Es ist eine Situation, die am Ende immer zu Schaden führt. Egal, was wir entscheiden oder nicht entscheiden – es entsteht Schaden. Für den Einzelnen, für die Unternehmen, für die Volkswirtschaft.“ Das führe zu einer Ausnahmesituation, „in der es jeden Tag darum geht, die Balance zu finden zwischen bestmöglichem Alltag, größtmöglicher Freiheit und gleichzeitig bestmöglichem Gesundheitsschutz für den Einzelnen und für die Gesellschaft.“ Spahn will die Pandemie auch als Chance verstanden wissen: „Es heißt ja immer: ‚Vergeude keine Krise‘; wir müssen im Sinne des ‚lessons learned‘ aus der Krise lernen.“
Man wolle in Zukunft „souveräner, unabhängiger“ sein, wenn es um Gesundheit geht. „Das gilt ganz besonders auch im Bereich von Forschung, Biotech, Innovation und Arzneimittel. Deshalb wollen wir ein noch besserer Forschungsstandort werden.“ Auf europäischer Ebene wird, so Spahn, zurzeit über Investitionsförderung geredet – und darüber, wie Anreize geschaffen werden können für mehr Produktion „auch in Europa“. Doch Europa könne sich hier nur durchsetzen, wenn es stark genug sei: „Dafür brauchen wir eine starke Industrie, braucht es starke Unternehmen, braucht es gute Kooperationen. Es ist gut, dass diese Industrie in Deutschland ist. Es ist schon gut, wenn im Land selbst die entsprechenden Fähigkeiten sind.“