Acht Millionen Frauen leiden in Deutschland an Osteoporose, der im Volksmund Knochenschwund genannten Erkrankung, die im Alter die Knochendichte schwächt, was zu Brüchen führen kann und oft erst spät erkannt wird. „Eine Volkskrankheit“, sagt Dr. Frank Mathias, Vorsitzender des Verbands vfa bio. „Bisher verfügbare Medikamente konnten den Knochenabbau bremsen.“ Doch ein neuer monoklonaler Antikörper kann mehr – er bildet darüber hinaus neue Knochensubstanz. Für Mathias ist das ein Beispiel dafür, was Biopharmazeutika, also gentechnisch hergestellte Arzneimittel, für Patientinnen und Patienten bedeuten können: Gegenüber Placebo gehen Wirbelsäulenbrüche um über 70 Prozent zurück.
Das geht aus dem aktuellen Biotech-Report zur Lage der medizinischen Biotechnologie in Deutschland hervor, den die BCG jedes Jahr im Auftrag des Pharmaverbandes vfa bio erstellt.
Biopharmazeutika: immer wichtiger in der medizinischen Versorgung
Es sind solche Biotech-Arzneien – seien es Antikörper, rekombinante Proteine, Gentherapeutika oder Impfstoffe – die in der medizinischen Versorgung eine immer größere Rolle spielen. Und auch künftig spielen werden:
- Das zeigt sich am Anteil der Gesamtzulassungen neuer Medikamente; sie machen fast die Hälfte der Neuzulassungen (45 Prozent) aus. Im Jahr 2020 waren es 16 Original-Präparate und neun Biosimilars – also die Nachahmerprodukte biotechnologisch hergestellter Therapien.
- Das zeigt sich am steigenden Umsatz (2020: 14,3 Milliarden Euro); Biotech-Medizin hat mittlerweile einen Marktanteil von 30,8 Prozent – gemessen an dem mit den gesetzlichen und privaten Krankenkassen generierten Netto-Gesamtumsatz von Medikamenten.
- Und es zeigt sich beim Blick in die Pipeline. 657 Projekte finden sich in der klinischen Entwicklung. Die allermeisten davon richten sich gegen Krebs- und Infektionserkrankungen oder verfolgen immunologische Ansätze. 122 dieser Projekte sind bereits in der klinischen Phase III angekommen.
Dominiert wird die Pipeline von so genannten rekombinanten Antikörpern, von denen Ende 2020 82 Vertreter der Wirkstoffklasse zugelassen waren. Sie ermöglichen neue Therapien für Krankheiten, die bisher gar nicht oder nur unzureichend therapiert werden konnten. Sie sollen auch bei der Bewältigung der Pandemie eine wichtige Rolle spielen.
Covid-19-Pandemie als Innovationsmotor
Überhaupt die Pandemie: Sie wirkte für die deutsche Biotechnologie wie ein Innovationsmotor, so Mathias. So wurde nicht nur der erste Covid-19-Impfstoff entwickelt, auch der weltweit erste Coronavirus-Test kommt von hier. Deutsche Biotech-Unternehmen sind führend in der mRNA-Technologie und haben entscheidende Beiträge zur Eindämmung der Pandemie geleistet. „Deutschland hat“, so Mathias, „eine außerordentliche, eine Pionier-Rolle übernommen.“ Vor diesem Hintergrund machte er deutlich, was er von der laufenden Diskussion über die Aufweichung von Patenten hält (Pharma Fakten berichtete).
„Im Hinblick auf Mutationen und weitere mögliche Pandemien brauchen wir Forschung und Technologieentwicklung in diesem Land. Wer aber soll das stemmen, wenn Patente relativiert oder sogar aufgehoben werden?“ Das sei der schlechteste Zeitpunkt überhaupt, Forschungsgefüge aus dem Takt zu bringen. „Innovationsanreize sind in diesen Tagen wichtiger denn je. Dazu gehört ein solider Patentschutz.“
Biotech-Produktion: Andere Länder holen auf
Auch wenn es um die Produktion solcher Medikamente geht, ist Deutschland vorne. Hierzulande werden 44 verschiedene Biopharmazeutika hergestellt, wie Studienautor Dr. Jürgen Lücke (BCG) darstellte. Bei der Produktionsvielfalt ist das Land Vize-Weltmeister, was die Produktionskapazitäten angeht, ist es Platz drei. „Doch wir werden zurückfallen“, so sehen es Lückes Prognosen – unter anderem, weil die Schweiz und Irland massiv investieren. Deshalb lautet eine Handlungsempfehlung an die Politik auch, den Ausbau des Produktionsstandorts zu fördern, Bürokratie gerade im Bereich klinischer Studien zu verringern und die Rahmenbedingungen für Wagniskapital zu verbessern.