Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Debatte über Pflicht zur Impfung

Nicht nur in den USA ist nach dem Ausbruch von Masern in Disneyland in Kalifornien eine Debatte über unzureichenden Impfschutz entbrannt. Nachdem in Berlin und Sachsen-Anhalt sich zahlreiche Menschen mit der vermeidbaren Krankheit angesteckt haben, sind verpflichtende Impfungen erneut ein Thema. Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel (CDU), Kinderarzt Dr. Ulrich Fegeler (BVKJ) und Dr. Klaus Schlüter von Sanofi Pasteur MSD nehmen dazu Stellung.

 

Erwin Rüddel (CDU), Mitglied des Bundesgesundheitsausschusses,…

…zum Ziel Masern bis 2015 in Deutschland auszurotten

 

Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit. Sie können und müssen, wie einst die Pocken, ausgerottet werden. Es ist ein Gebot der Verantwortung, selbst für sich und die Kinder für einen ausreichenden Impfschutz zu sorgen. Das Ziel der Ausrottung ist jedoch verfehlt worden und fordert jetzt die Politik heraus.

…zu Maßnahmen gegen den Ausbruch von Masern

Mehr Aufklärung und Sensibilisierung ist dringend nötig – gerade auch für das Impfen von Erwachsenen. Das geht aber noch nicht weit genug. Deshalb muss jetzt eine verpflichtende Impfberatung kommen. Hilfreich wäre es, wenn alle öffentlichen Einrichtungen – von der Kita bis zur Schule – einen Impfnachweis vor der Aufnahme eines Kindes verlangen würden. Auch könnte Beratung durch spezialisiertes Arztpraxispersonal (z.B. AGNES) helfen, die Impfmoral zu steigern.

…zur verpflichtenden Impfberatung im Präventionsgesetz

Die Politik ist sensibilisiert. Deshalb kommt Impfen jetzt auch ins Präventionsgesetz. Sollte das die Impfquote nicht über 95% heben, kann man über eine Verschärfung, bis hin zu einer Impfplicht für Masern, nachdenken.

 

Dr. Ulrich Fegeler, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ),…

… zum Ziel Masern bis 2015 in Deutschland auszurotten

Das Ziel wurde klar verfehlt, da nicht konsequent geimpft wurde. In Deutschland gibt es keine Impfpflicht und das wird grundgesetzlich nicht machbar sein. Dennoch ist das Impfen in der Kindheit ausschlaggebend. Es gibt immer noch impfkritische Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen. Das führt dazu, dass keine homogene Verteilung von geimpften Kindern erreicht wird. Dies lässt sich in den verschiedenen Bezirken Berlins beobachten: In manchen Bezirken gibt es deutlich mehr geimpfte Kinder als in anderen. Das hat zur Folge, dass Masern vor allem in den Bezirken ausbrechen, in denen weniger geimpfte Kinder leben.

…zu Maßnahmen gegen den Ausbruch von Masern

Durch konsequentes Impfen würden sich solche Ausbrüche verhindern lassen. Es geht aber nicht darum, nur die Kinder zu impfen. In Flüchtlingsheimen beispielsweise leben viele Menschen, die nicht geimpft sind. Diese Menschen müssen auch geimpft werden, um eine homogene Verteilung und Herdenschutz erzielen zu können. Wir als Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte appellieren daher an alle Jugendlichen und Erwachsenen in ihren Impfpass zu schauen. Sollte keine zweite Masernimpfung eingetragen sein, empfiehlt sich sofort eine weitere Impfdosis. Denn es gilt: Nur die doppelte Impfung schützt effektiv gegen Masern.

…zur verpflichtenden Impfberatung im Präventionsgesetz

Es ist zu wenig eine verpflichtende Impfberatung nur für Kinder vor dem Eintritt in den Kindergarten einzuführen. Das reicht nicht aus. Wir als  Berufsverband fänden es sinnvoll, eine Impfpflicht für alle Kinder einzuführen, die öffentliche Gemeinschaftseinrichtungen besuchen. In den USA gibt es bereits die Forderung „no vaccination, no school“. Das wäre auch in Deutschland sinnvoll. Wir wissen aber auch, dass eine Impfpflicht in Deutschland schwer durchsetzbar ist und wir daher solche kleine Epidemien – wie in Berlin – hinnehmen müssen. Weil viele Erwachsene in Deutschland nicht beziehungsweise nicht ausreichend gegen Masern geimpft sind, kann die Krankheit auf die entsprechenden Menschen übergreifen. Vor allem Schwangere sollten geimpft sein, damit ein Neststutz für die neugeborenen Kinder garantiert werden kann. Eine Masernerkrankung im ersten Lebensjahr hat möglicherweise stärkere Auswirkungen als gedacht. Diese sind nicht heilbar und führen zum Tod des Kindes.

 

Dr. Klaus Schlüter, Geschäftsführer Sanofi Pasteur MSD,…

… zum Ziel Masern bis 2015 in Deutschland auszurotten

Masernerkrankungen nicht ernst zu nehmen ist ein Riesenfehler – und ein tragischer dazu: In sieben von 100.000 Erkrankungen kann es zu einer Form von Gehirnhautentzündung kommen, die immer tödlich verläuft. Die aktuellen Ausbrüche in den USA, die übrigens bereits als masernfrei galten, und bei uns zeigen: Impfskepsis ist zunehmend verbreitet in gebildeten Teilen unserer Gesellschaften. Deshalb werden es Aufklärungskampagnen alleine nicht richten.

…zu Maßnahmen gegen den Ausbruch von Masern

Es muss dringend an mehreren Stellschrauben gedreht werden: Einmal fehlen in Deutschland verbindliche Impfziele. Über generelle Aussagen wie: „Wir müssen die Impfquoten erhöhen“, kommen wir bisher nicht hinaus. Das ist der erste Fehler. Der zweite ist, dass es bei uns keine Impfprogramme gibt. Schauen wir über die Grenze nach Österreich: Dort gibt es so genannte „aufsuchende“ Impfangebote. Das heißt, die Ärzte kommen aktiv in die Schule und impfen. Der Vorteil daran: Sie senken die Schwelle, der Zugang zur Impfung wird erleichtert. Die Eltern werden vorher befragt, so dass niemand Angst haben muss, sein Kind werde zwangsgeimpft.

…zur verpflichtenden Impfberatung im Präventionsgesetz

Allerdings sage ich auch: Impfen ist nicht nur eine private Entscheidung. Geimpfte Kinder schützen nicht nur sich selbst, sondern auch die Kinder, die wir aus welchen Gründen auch immer nicht impfen können – entweder weil sie noch sehr jung sind oder aber an einer Erkrankung leiden. Wer immer also meint, sein Kind nicht impfen lassen zu müssen, sollte wissen: Er gefährdet andere.

Fotos: privat, BVKJ, Sanofi Pasteur MSD

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