Die Fortschritte der „Krebsimmuntherapie“ behandelte ein virtuelles Patientensymposium mit ausgewiesenen Krebsexpert:innen. Foto: ©iStock.com/wildpixel
Die Fortschritte der „Krebsimmuntherapie“ behandelte ein virtuelles Patientensymposium mit ausgewiesenen Krebsexpert:innen. Foto: ©iStock.com/wildpixel

Fortschritte in der Krebstherapie, neuester Stand

Das Thema „Krebsimmuntherapie“ stand am 9. Mai im Mittelpunkt eines virtuellen Patientensymposiums, das im Rahmen der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ gemeinsam von der „Association for Cancer Immunotherapy“ (CIMT) und „Vision Zero Oncology“ veranstaltet wurde. Am Ende gab es einen dramatischen Appell an alle Krebspatient:innen.
Prof. Christof von Kalle, Onkologe. 
Foto: BIH/Stefan Zeitz
Prof. Christof von Kalle, Onkologe.
Foto: BIH/Stefan Zeitz

Wie kann die Tumorimmuntherapie dazu beitragen, eine „Vision Zero gegen Krebs“ zu verwirklichen? Dieser Frage widmete sich im Rahmen des virtuellen Patientensymposiums der Onkologe Prof. Christof von Kalle, Chair für Klinisch-Translationale Wissenschaften am Berliner Institut für Gesundheitsforschung an der Charité-Universitätsmedizin. Am Anfang der Krebsimmuntherapie, erklärte von Kalle in seinem Vortrag, stand die Erkenntnis: „Das Immunsystem wehrt sich stärker als lange Zeit angenommen – es kann Krebszellen erkennen und bekämpfen.“

Grundsätzlich gibt es verschiedene Punkte, an denen eine Immuntherapie ansetzen kann:

  • Immunität durch Tumor-Antigene: Falls keine oder nur eine schwache Immunität vorliegt, kann sie bei bestimmten Krebserkrankungen erzeugt und auf die Patient:innen übertragen werden. „Das ist zum Beispiel möglich durch ´Impfungen` mit Eiweißen, Eiweiß-Abschnitten oder so genannten Tumor-Vakzinen, bei denen Tumor-Antigene übertragen werden“, so von Kalle – dies allerdings nicht, wie bei anderen „Impfungen“, zur Vorsorge, sondern erst dann, „wenn der Tumor schon ausgebrochen ist.“ Solche Methoden, Immunität zu erzeugen, werden unter anderem bei Blasenkrebs und bestimmten Hirntumoren angewendet, den so genannten Gliomen. Ein inzwischen gängiges Verfahren zur Übertragung von Tumor-Antigenen ist die CAR-T-Zelltherapie: Dabei werden den Patient:innen Immunzellen entnommen, durch genetische Verfahren verändert und dann per Infusion an die Patient:innen zurückgegeben. Von Kalle: „Hier wurden 2018 die ersten Verfahren zugelassen.“ Unter anderem wird diese Therapieform gegen Lymphome und Leukämien eingesetzt.
  • Immunität mit Hilfe der mRNA-Technologie: Bekannt wurde diese Technologie durch die Corona-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer oder Moderna – sie lässt sich aber auch im Kampf gegen Krebs einsetzen. „Man kann die mRNA-Technologie verwenden, um tumorspezifische oder sogar patientenspezifische Impfstoffe zu entwickeln“, erklärte von Kalle. Und weiter: „Die mRNA verfügt über ein großes Potenzial, Immunantworten zu erzeugen. Es könnten für einzelne Patienten Impfstoffe hergestellt werden, die Chemotherapien ergänzen oder ersetzen könnten.“
  • Immunität durch das „Lösen von Blockaden“: Krebszellen können sich häufig vor dem Immunsystem „verstecken“ und eine Immunantwort blockieren. Hier setzt die Therapie mit „Checkpoint-Inhibitoren“ an – sie können Immunzellen aktivieren und sie in die Lage versetzen, den Tumor zu erkennen und zu bekämpfen. „Checkpoint-Inhibitoren können in Kombination mit anderen Checkpoints oder herkömmlichen Therapien eingesetzt werden“, so von Kalle – unter anderem gegen schwarzen Hautkrebs.
  • Immunität durch präventive Ansätze: Prinzipiell könnten Impfungen gegen Krebsformen entwickelt werden, die durch Infektionen mit Viren oder Bakterien ausgelöst werden. Bereits etabliert ist die HPV-Impfung – sie bekämpft das Humane Papillomavirus, das Gebärmutterhalskrebs verursachen kann, aber auch seltene Krebserkrankungen der Geschlechtsorgane.       

Immuntherapien haben nach von Kalles Worten allerdings auch einen Schwachpunkt: „Sie wirken nicht bei allen Patienten – aktuell gibt es nur für 50 Prozent von ihnen Immuntherapie-Optionen“ – und auch das nur bei bestimmten Krebsformen. Viele Ansätze seien noch in einem „experimentellen Stadium“. Von Kalle ist aber fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, bei Krebserkrankungen eine „Vision Zero“ zu entwickeln und umzusetzen.

Mit Hilfe von Biomarkern: Personalisierte Krebstherapien für Patient:innen. 
Foto: ©iStock.com/Lordn
Mit Hilfe von Biomarkern: Personalisierte Krebstherapien für Patient:innen.
Foto: ©iStock.com/Lordn

Personalisierte Krebstherapie

Das sieht auch Prof. Thomas Kindler so, Leiter des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen in Mainz. Er ging in seinem Vortrag „auf Fortschritte in der Tumortherapie“ ein. Nach seinen Worten beruhte die Entwicklung von Krebstherapien lange Zeit auf drei Säulen:

  1. Chirurgische Eingriffe, von denen es die ersten im 16. Jahrhundert gab
  2. Strahlentherapien, die ab 1918 eingesetzt wurden
  3. Systemische Chemotherapie, erstmals angewendet im Jahr 1948

Ein neuer, revolutionärer Ansatz kam nach der Jahrtausendwende hinzu, nachdem es gelungen war, das menschliche Genom zu sequenzieren. Seither konnten neue und wirksame Therapien gegen einige Tumore entwickelt werden, die bestimmte genetische Veränderungen aufweisen. „Es ist wichtig, diese Mutationen zu kennen“, so Kindler – möglich werde dies mit Hilfe von so genannten Biomarkern. „Im Jahr 2001 kannten wir nur einen Biomarker bei Brustkrebs, inzwischen haben wir Biomarker für viele Krebserkrankungen zur Verfügung.“ Mit ihrer Hilfe können Patient:innen identifiziert werden, die auf gezielte, personalisierte Therapien ansprechen. „Lange Zeit wurde etwa Lungenkrebs nur in das kleinzellige und das nichtkleinzellige Karzinom unterteilt“, erklärte Kindler, „dank der Sequenzierung haben wir aber herausgefunden, dass es viele komplett unterschiedliche Adenokarzinome gibt, die Lungenkrebs auslösen.“ Je nach Ausprägung können sie heute individuell behandelt werden.

Studienzahl verdreifacht

Ähnliches gilt für für viele andere Krebsformen. „Wir sind heute in der Onkologie mit einer Flut an Informationen konfrontiert“, weiß Kindler, „und allein im Jahr 2021 gab es 23 neue Zulassungen in 11 Tumorentitäten.“ Die Zahl onkologischer Studien habe sich von 2017 bis 2020 nahezu verdreifacht, von 1.500 auf 4.400 Studien. Vor dem Hintergrund dieser Wissensflut appellierte Kindler dringend an alle Krebspatient:innen: „Lassen Sie sich auf jeden Fall in einem zertifizierten Zentrum behandeln. Sie haben dort eine bessere Überlebenschance, denn die Kolleg:innen in diesen Zentren sind immer auf dem aktuellen Stand des Wissens.“ Zudem gebe es momentan sehr viele wissenschaftliche Studien, an denen Patient:innen möglicherweise teilnehmen könnten – auch dazu gebe es in den zertifizierten Zentren gute und aktuelle Informationen.

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