Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
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Die Innovation kommt ein bisschen später

Eines der Ziele der Väter und Mütter des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) war: Durch die Nutzenbewertung sollte den Ärzten ein Mehr an Verordnungssicherheit gegeben werden, denn wo Zusatznutzen drauf steht, muss schließlich auch Zusatznutzen drin sein. Pustekuchen, wie ein Blick in den Versorgungalltag zeigt.

Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherer (WIP) zeigt: Je besser ein Präparat bewertet ist, desto besser werden Privatversicherte versorgt. Im Jahr 2013 entfielen 16,2 Prozent des Umsatzes auf Arzneimittel, denen im AMNOG ein beträchtlicher Zusatznutzen zuerkannt wurde, auf Kunden der privaten Krankenversicherer (PKV), obwohl ihr Anteil an allen Versicherten nur 11,3 Prozent beträgt. Klingt wenig dramatisch, heißt aber, dass PKV-Patienten AMNOG-Arzneimittel mit einem anerkannten beträchtlichen Zusatznutzen fast 50 Prozent häufiger verordnet bekommen, wie die Ärztezeitung vorrechnet. „Es konnte damit nachgewiesen werden, dass die GKV im Durchschnitt vor allem bei teuren neuen Medikamenten einen niedrigen Marktanteil als die PKV aufweist. Den Grund sieht Studienautor Frank Wild in den „vielfältigen Steuerungsinstrumenten in der GKV“, die „auch bei den neuen Medikamenten zur Anwendung kommen1.“

Je mehr Zusatznutzen desto weniger GKV-Verschreibungen

Die Nachricht, dass PKV-Versicherte mehr neuere Arzneimittel verschrieben bekommen als GKV-Patienten, dürfte niemanden überraschen, der sich mit der Materie beschäftigt. Nur: In der Vor-AMNOG-Ära galt diese Mehrverordnung oft als Beleg für eine angebliche Fehl- oder Überversorgung – und damit auch als Ausdruck des erfolgreichen Marketings der Pharmaindustrie. In der AMNOG-Ära ist das anders: Nun lasse sich belegen, dass die GKV bei nachgewiesenen Innovationen geringere Marktanteile habe als die PKV, heißt es beim WIP.

Es wird noch komplizierter: Durch die Subgruppenbildung, die den Nutzen splittet und getrennt nach Patientenpopulationen ausweist, entsteht ein, vornehm ausgedrückt, heterogenes Bild. Praktisch kann das heißen: Medikament A erhält für eine Subgruppe a einen beträchtlichen Zusatznutzen und für die Subgruppe b keinen oder nur einen geringen Zusatznutzen zugeschrieben. Das kommt gar nicht so selten vor: Die Ärztezeitung schreibt von 220 Subgruppen bei 110 Bewertungen (Stand Februar 2015). Hier den Überblick zu behalten, dürfte nicht so einfach sein.

Von Subgruppen und Verunsicherungsfaktoren

Der Erstattungspreis für unser Medikament A wird im nächsten Schritt in einer Mischkalkulation festgelegt; er soll im Durchschnitt über alle Populationen wirtschaftlich sein. Das muss im Einzelfall aber nicht stimmen. Was aber passiert, wenn der Arzt in seiner patienten-individuellen Entscheidung sehr wohl einen Patientennutzen sieht, die GKV aber nicht? „Ärzte fühlen sich verunsichert“, konstatiert die Ärztezeitung und ergänzt: „Die frühe Nutzenbewertung bringt Vertragsärzten weniger Verordnungssicherheit als erhofft.“ Es sei das Regressrisiko, das die Ärzte haften lässt, wenn ihnen unwirtschaftliches Verordnen vorgeworfen wird. Auch WIP-Autor Wild schreibt, dass drohende Wirtschaftlichkeitsprüfungen „zu einer Änderung des Verordnungsverhaltens des Arztes führen“ können2. Dieses Regressrisiko gibt es in der privaten Versorgung nicht.

Innovationsbremse AMNOG

Im September 2014 hatten auch die Autoren des Arzneimittel-Atlas´ festgestellt, dass nach der frühen Nutzenbewertung als gut bewertete Medikamente nur sehr zögerlich bei den Patienten ankommen. Birgit Fischer, Chefin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), twitterte damals: „AMNOG erweist sich in vielen Fällen als Innovationsbremse!“

Quellen:

1 <small>Frank Wild: Arzneimittelversorgung der Privatversicherten 2013. Zahlen, Analysen, PKV-GKV-Vergleich; Wissenschaftliches Institut der PKV, Februar 2015. S. 70.</small>
2 <small>Wild: ebda. S. 12.</small>

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