Beim G7-Gipfel werden Lehren aus Ebola-Epidemie gezogen

Armutsbedingte Tropenkrankheiten bekämpfen – das Thema Gesundheit ist ein Schwerpunkt der deutschen G7-Präsidentschaft.

Es gibt Krankheiten, die gibt es gar nicht. Zumindest nicht in unseren Breitengeraden. Von Flussblindheit, Schlafkrankheit oder Dengue-Fieber mag der eine oder andere schon mal gehört haben. Aber was ist mit Echinokokkose, Lymphatische Filariose oder Chagas-Disease? All diese unaussprechlichen Namen haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind Infektions- und Tropenkrankheiten. Vor allem aber sind sie Armutskrankheiten. Denn die Bekämpfung der auslösenden Bakterien, Viren, Einzeller oder Würmer wäre oft erschreckend einfach – man bräuchte nur ein einigermaßen funktionierendes Gesundheitssystem.

Und sie sind ein globales Problem – ein Sechstel der Weltbevölkerung ist betroffen, eine halbe Million Menschen sterben daran. Bildlich gesprochen wird damit jährlich eine Stadt von der Größe Nürnbergs ausradiert. Was hingegen niemand zählen kann: Die Zahl der durch die Krankheiten entstellten und behinderten Menschen, denen jede Chance genommen ist, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Manchmal ist es eine Infektion, die verhindert, dass Menschen aus ihrem Armutszirkel ausbrechen können.

Lernen aus Ebola

Das Ebola-Virus hat zumindest dazu beigetragen, die Gesundheitsprobleme im armen Teil der Welt auf die Tagesordnung der „großen“ Politik zu hieven. Denn erstens hat sich deutlich gezeigt, dass sich Viren im Zweifel nicht um Grenzen scheren. Und zweitens: Gesundheitssysteme, bei denen der Appendix „System“ reiner Euphemismus ist, sind solchen Epidemien vollkommen hilflos ausgesetzt. Das gilt nicht nur für akute Krisensituation wie bei Ebola, sondern auch, wenn es um die Bekämpfung armutsbedingter Tropenkrankheiten geht.

 

 

Lernen aus Ebola bedeutet für Bundeskanzlerin Angela Merkel demnach nicht nur die Entwicklung und Umsetzung eines internationalen Katastrophenschutzplanes. Vielmehr sollen die führenden Industrienationen den armen Ländern beim Aufbau von leistungsfähigen Gesundheitssystemen helfen. „Ausgangspunkt muss sein, dass jedes Land ein möglichst nachhaltiges eigenes Gesundheitssystem entwickelt“, sagte die Kanzlerin anlässlich der Eröffnung der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2015. Denn es sei interessant, „dass zumeist mit einem relativ geringen materiellen Aufwand das Leiden von Hunderten von Millionen Menschen bekämpft werden könnte“, so Merkel. Dafür brauche man neben der Logistik der Verteilung auch „die Ergebnisse der pharmazeutischen Industrie.“

Letztere steht regelmäßig im Kreuzfeuer der Kritik wenn es um die vernachlässigten Krankheiten geht. Dabei gerät unter die Räder, was sich seit Jahren alles tut bei der Bekämpfung der tropischen Armutskrankheiten.

Die London Declaration: Ehrgeizig aber machbar

Die „London Declaration on Neglected Diseases“ aus dem Jahre 2012 ist das wahrscheinlich ehrgeizigste Projekt, das die internationale Gemeinschaft unter der Führung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jemals gestartet hat. Es will bis 2020 zehn Tropenkrankheiten eliminieren oder unter Kontrolle bringen. Sie gilt als ehrgeizig, aber machbar. Sie lebt davon, dass sich eine große Zahl mächtiger Partner zusammengeschlossen hat: Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, nationale und internationale Behörden, Partner aus der Privatwirtschaft oder die Gates-Stiftung – sowie eine große Zahl forschender Pharmaunternehmen.

Die Gesundheitsprogramme sind ganzheitlich ausgelegt. Sie setzen auf Selbsthilfe und Aufklärung, fördern den Aufbau von Infrastrukturen, leben vom Engagement vieler Menschen vor Ort – und von den Arzneimittelspenden der Pharmaunternehmen: 14 Milliarden Behandlungen im Wert von 19 Milliarden US-Dollar sind bis 2020 zugesagt.

In ihrem Zwischenbericht stellen die Unterstützer der London Declaration fest:

  • In den betroffenen Ländern tut sich was: Über 70 von ihnen haben mittlerweile nationale Aktionspläne entworfen, um Armutskrankheiten zu bekämpfen.
  • 2013 spendeten pharmazeutische Unternehmen 1,35 Milliarden Behandlungen – ein Plus von 35 Prozent seit 2011.
  • Es stehen über Stiftungen und Privatspenden immer mehr Mittel zum Kampf gegen die armutsbedingten Tropenkrankheiten zur Verfügung.
  • Die Forschung kommt voran – etwa für neue und verlässlichere Diagnosetests, bei der Entwicklung von kindergerechten Formulierungen – und für neue Medikamente.
  • Die Erfolgsgeschichten häufen sich. So war Kolumbien das erste Land, das laut WHO frei von Flussblindheit ist. Und in Marokko ist das erblindende Trachom offenbar Geschichte.

Ein Albtraum für Logistiker

Diese Beispiele zeigen: Es gibt viel Grund für Optimismus. Aber der Bericht stellt auch fest, dass noch einiges geschehen muss, um die Ziele der London Declaration zu erreichen. Obwohl die von der Industrie zugesagten Arzneimittel zu 100 Prozent zur Verfügung stehen, kommen die Mittel zu oft nicht bei den Patienten an. Nach WHO-Schätzungen bekamen 2012 nur 36 Prozent der Menschen, die an einer Massenbehandlung (mass drug administration) teilnehmen sollten, alle Arzneimittel, die sie brauchten.

Programme wie die „Global Alliance to Fight Lymphatic Filarisis“ zur Ausrottung der Elephantiasis, das „Mectizan Donation Program“ gegen die Flussblindheit oder das Programm zur Ausrottung der Bilharziose sind Vorhaben von gigantischem Ausmaß – und ein Albtraum für Logistiker. Allen ist gemein: Die Arzneimittel gibt es umsonst. Und das solange, bis die Krankheit ausgerottet ist.

Vieles ist im Gang – viel muss noch passieren, um das „Menschenrecht auf Gesundheit“ (Merkel) durchzusetzen. Zum Beispiel deckt der WHO-Plan noch nicht alle Tropenkrankheiten ab – weitere Forschung ist deshalb notwendig. Laut des Internationalen Verbandes der forschenden Pharmaindustrie (IFPMA) sind zurzeit 186 Projekte in den Pipelines. 38 potentielle Medikamente und Impfstoffe werden in klinischen Studien getestet.

Links:

Pressegespräch des vfa zum G7-Gipfel

Sonderseite der Bundesregierung zum G7-Gipfel

Deutsches Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs)

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