2014 war in puncto Arzneimittelkosten eine Nagelprobe für das Gesundheitssystem: Schon vorher war klar, dass der gesetzliche Zwangsrabatt für Arzneimittel von 14 auf sieben Prozent sinken würde. Mit den neuen Präparaten gegen Hepatitis C kam dann auch noch eine Durchbruchsinnovation dazu, die es so noch selten gegeben hatte. Auch für Patienten mit Rheuma und Multipler Sklerose gab es neue Therapien. Das sprengt die Kassen der Kassen – so hatten Mahner im vergangenen Jahr gewarnt.
Und sie hatten Unrecht, wie der Arzneimittel-Atlas 2014 belegt, den das IGES-Institut im Auftrag des vfa erstellt hat und der heute vorgestellt wurde. Um 2,95 Milliarden Euro sind die Ausgaben für Arzneimittel im vergangenen Jahr gestiegen, auf insgesamt 33,3 Milliarden Euro. Damit liegen die Ausgaben erstmals wieder über dem Niveau von 2010, als sie mit Einführung des Zwangsrabattes künstlich abgesenkt wurden. Dessen teilweise Rückstufung ist alleine für fast die Hälfte des Kostenanstiegs verantwortlich. Bedeutende Innovationen machen den größten Teil der zweiten Hälfte aus. „Im Fünf-Jahres-Vergleich haben die Arzneimittelausgaben damit den geringsten Anstieg aller Posten bei den GKV-Ausgaben“, sagte Institutsleiter Prof. Bertram Häussler.
AMNOG ist eine Versorgungshürde
Wie atypisch das Jahr 2014 war, zeigte ein Gutachten zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das der BPI ebenfalls heute vorgelegt hat. Prof. Dr. Dieter Cassel (Universität Duisburg Essen) und Prof. Dr. Volker Ulrich (Universität Bayreuth) zeigen darin, dass Innovationen seit 2011 nur selten verschrieben werden – die neuen Hepatitis C Therapien waren 2014 also eine ungewöhnliche Ausnahme. „Das AMNOG hat sich bisher als Markteintritts- und als Versorgungshürde erwiesen“, bilanzierte Ulrich. Es habe sich zum reinen Kostendämpfungsgesetz entwickelt, das die Versorgung der Patienten hintanstelle. Auch die Wirtschaftlichkeit innovativer Therapien habe das Gesetz nicht im Blick. Dabei sei diese die maßgebliche Grundlage für die Investition in die Erforschung neuer Arzneimittel.
Die entscheidende Frage blieb, was die Kombination der Erkenntnisse von BPI und vfa für das AMNOG bedeuten. Zumindest nicht, dass alles schlecht ist: „Die Grundidee des AMNOG als Nutzenbewertung mit einer darauf basierenden Nutzenbewertung ist durchaus tragfähig“, sagte BPI-Vorstandsvorsitzender Dr. Martin Zentgraf. An den Grundfesten wollte auch vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer nicht rütteln. Beide sehen jedoch dringenden Reformbedarf.
Fischer: Kassen setzen Ärzte zu stark unter Druck
„Der Nutzen, auch der gesellschaftliche, und die Kosten von Innovationen müssen in einer Balance stehen. Dafür brauche ich eine ganzheitliche Betrachtung“, sagte Fischer. Dies würden der G-BA und der GKV-Spitzenverband im Rahmen des AMNOG-Prozesses mit ihrer einseitigen Konzentration auf die Kosten aber bisher nicht leisten. In Richtung der Krankenkassen wurde sie sogar noch wesentlich deutlicher: „Auch wenn nach dem AMNOG ein Preis verhandelt und die Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels damit belegt ist, läuft die Preisfrage auf regionaler Ebene weiter. Die Ärzte werden hier von den Kassen so unter Druck gesetzt – das ist teilweise ethisch nicht mehr verträglich.“
Im Pharma-Dialog, bei dem Bundesregierung, Industrie und Forschung vergangene Woche über die Zukunft des Gesundheitssystems getagt hatten, war dies jedoch nicht Thema. „Der Pharma-Dialog ist kein Austausch von Forderungen, sondern ein Blick auf Perspektiven“, sagte Fischer. Ob am Ende dieses Dialogs eine Reform des AMNOG stehen könnte, dazu hält sich auch die Politik auf Nachfrage noch bedeckt.