Zeit drängt beim Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen

Der Kampf gegen weltweit zunehmende Antibiotika-Resistenzen verspricht nur mit einer globalen Strategie erfolgreich zu sein. Die Gesundheitsminister der G7-Staaten beraten zurzeit in Berlin, wie sie der besorgniserregenden Entwicklung künftig begegnen werden. Klar ist: Gegen die resistenten Bakterienstämme müssen neue Arzneimittel entwickelt werden.

 

Die Folgen der immer häufiger auftretenden Antibiotika-Resistenzen sind gravierend.  „In unseren Projekten stoßen die Teams von Ärzte ohne Grenzen immer häufiger auf Antimikrobielle Resistenzen (AMR), die mit den verfügbaren Medikamenten nicht mehr behandelbar sind“, sagt Philipp Frisch, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen (MSF). Bei der Behandlung multiresistenter Tuberkulose in Zentralasien und Osteuropa oder von Trauma-Patienten in Kriegsgebieten und Flüchtlingslagern würden die Mediziner mit diesem Problem konfrontiert.

Die ehedem meistens zuverlässig wirkenden Antibiotika entpuppen sich jedoch nicht nur in den Krisengebieten dieser Welt als stumpfer werdendes Schwert. Prof. Dr. Katja Becker von der Leopoldina berichtete beim parlamentarischen Abend des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) von Extremfällen aus Italien, bei denen kein Antibiotikum mehr anschlug. Zwei Patientinnen verstarben dadurch im Krankenhaus.

Wirkung alter Medikamente nutzt sich ab

„Was wir dringend brauchen, sind bessere Diagnostika und neue Medikamente, um unseren Patienten eine gezielte und effektive Behandlung zu ermöglichen“, fordert Frisch von MSF. Nur: Woher sollen diese kommen? Nach einer Fülle von Neuentwicklungen bis in die 70er-Jahre hinein ebbte die Forschung nach neuen Antibiotika deutlich ab. Die Versorgung schien auf Jahre gesichert. Ein Trugschluss. Denn Faktoren wie etwa eine zu häufige Verordnung der Antibiotika führten zur aktuell größer werdenden Ausbreitung von Resistenzen.

Beim G7-Treffen der Regierungschefs in Elmau waren Antibiotika-Resistenzen neben Ebola eines der wichtigsten Themen. Daran wollen die Gesundheitsminister gemeinsam anknüpfen. „Wir müssen Gesundheit global denken. Krankheiten machen nicht an Staatsgrenzen Halt“, erklärte Hermann Gröhe via Twitter jetzt zum Auftakt der Konferenz. Eine gemeinsame internationale Strategie bei der Verordnung der Arzneimittel und zur Entwicklung neuer Medikamente ist notwendig. Dabei muss ein schwieriger Spagat gelingen. Gröhe merkte bei der vfa-Veranstaltung an: „Wir sagen: Erfindet etwas Neues. Und dann sagen wir: Aber verkauft es möglichst wenig.“ Das müsse sich als „Business Model“ erst mal durchsetzen. Ein Dilemma: So ist es zum Beispiel zwingend notwendig, ein Reserve-Antibiotikum zu entwickeln. Nur sollte es möglichst kaum eingesetzt werden. Aus unternehmerischer Sicht geht es kaum widersprüchlicher.

„Ärzte ohne Grenzen“ fordert internationalen Forschungsfonds

Damit künftig neue Medikamente zur Verfügung stehen, schlägt MSF einen internationalen Forschungsfonds vor, „der sich der Forschung und Entwicklung vernachlässigter und armutsassoziierter Krankheiten widmet“, sagt Frisch. Daran sollten sich alle Länder langfristig finanziell beteiligen. Obwohl es Initiativen gebe, um neue Produkte zu entwickeln, reichten diese Bemühungen nicht aus, um den Bedarf zu decken. „Wir fordern daher von der Politik mehr direkte, öffentliche Forschungsfinanzierung, um neue Anreize zu schaffen.“

Vorstöße zur Neuentwicklung existieren bereits. Die Europäische Union hat beispielsweise die Initiative NewDrugs4BadBugs ins Leben gerufen. Daran beteiligen sich zahlreiche pharmazeutische Unternehmen und 30 Universitäten. Das Ziel: Neue Antibiotika innerhalb möglichst kurzer Zeit hervorzubringen. In den Vereinigten Staaten soll das GAIN-Programm eine solche Entwicklung ankurbeln.

“Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und privater Industrie können ein guter Ansatz sein”, sagt der MSF-Koordinator. Allerdings müssten einige grundsätzliche Bedingungen erfüllt sein, um den Nutzen und den Erfolg solcher Initiativen sicherzustellen. “Finanzierung und Forschungsagenda öffentlich geförderter Projekte müssen für die Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar sein – das ist aus unserer Sicht bei der IMI-Initiative nicht der Fall”, so Frisch. Beispielsweise sei völlig unklar, wie viel die einzelnen Pharmaunternehmen zu den jeweiligen Projekten beitragen und was sich hinter den Sachleistungen tatsächlich verbirgt. “Zudem fehlen wirksame Kontrollmechanismen, insbesondere bezüglich der Überwachung der Ergebnisse.”

Entwicklung neuer Antibiotika unter Zeitdruck

Die Zeit drängt. „Sicher ist, dass sich die Lage verschlimmern wird, wenn nicht bald etwas geschieht“, so Frisch. Er ergänzt: „Die bisherigen Initiativen reichen bei Weitem nicht aus, um dem immer dringlicheren Problem antimikrobieller Resistenzen effektiv entgegenzuwirken.“ Ganz zum Erliegen gekommen ist die Antibiotika-Forschung jedoch nicht. Nach Angaben des vfa befinden sich zurzeit 36 Wirkstoffe in der Entwicklung. Stefan Oschmann, Präsident des Weltpharmaverbandes IFPMA und Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck KGaA, rechnet bis zum Jahr 2020 mit bis zu 14 neuen Antibiotika. Die G7-Gesundheitsminister sind nun in der Pflicht, dass möglichst schnell noch weitere hinzukommen.

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