Gesundheitsökonom Prof. Dr. Hendrik Jürges betrachtet Arzneien nicht allein vor dem Hintergrund ihrer Kosten  sondern bewertet sie auf ihren Nutzen. Foto: Friederike von Heyden/Bergische Universität Wuppertal (copyright)
Gesundheitsökonom Prof. Dr. Hendrik Jürges betrachtet Arzneien nicht allein vor dem Hintergrund ihrer Kosten sondern bewertet sie auf ihren Nutzen. Foto: Friederike von Heyden/Bergische Universität Wuppertal (copyright)

“100.000 Euro sind nicht zu viel Geld”

Der Durchbruch in der Hepatitis-C-Forschung bringt für Betroffene Heilungschancen von bis zu 100 Prozent. Dennoch ist eine kritische Diskussion über die Kosten der neuen Therapie entbrannt. Nach Auffassung des Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Hendrik Jürges vom Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health der Bergischen Universität in Wuppertal zahlt sich die Investition in derartig wirksame Arzneimittel jedoch aus.

Die Hepatitis-C-Therapie mit den neuen Wirkstoffen kostet im Mittel 80.000 Euro. Kommt das gerade zugelassene Ergänzungspräparat hinzu, kostet ein Behandlungszyklus sogar rund 100.000 Euro. Ist das nicht zu viel?

Prof. Dr. Hendrik Jürges: „Zu teuer“ und „zu hohe Kosten“ können allein als Argument gegen eine Arznei nicht gelten. Wenn etwa mit einem Medikament der Durchbruch erreicht ist, dann werden dies auch die Gremien im Gesundheitssystem erkennen. Der zentrale Punkt ist doch die Effektivität. Für eine Qualität wie jetzt bei dieser Therapie sind 100.000 Euro nicht zu viel Geld.

Wie lässt sich der Wert einer Arznei in einer Kosten-Nutzen-Rechnung bestimmen?

Jürges: Wir messen den Nutzen in sogenannten qualitätsgewichten Lebensjahren. In Großbritannien beispielsweise rechnet das Institut NICE [National Institute for Health and Care Excellence] mit dem Wert einer medizinischen Innovation von etwa 30.000 Pfund [ca. 38.000 Euro] pro gewonnenem Lebensjahr bei hoher Lebensqualität. Die monetäre Bewertung macht solche Innovationen sogar mit anderen Investitionen wie in Bildung oder dem Straßenbau vergleichbar.

Schiebt ein Schwellenwert von 30.000 Pfund der neuen Hepatitis-C-Therapie und vergleichbaren Wirkstoffen nicht einen Riegel vor?

Jürges: Nach britischen Maßstäben nicht. Denn das entspräche dem Gewinn von drei Lebensjahren. Nehmen wir nur als Vergleichsbeispiel einen Motorradunfall eines jungen Mannes. Dieser Mensch würde ohne hirnchirurgischen Eingriff sterben. Dieser kostet insgesamt vielleicht 100.000 Euro. Nach erfolgreicher Operation ist er Zeit seines Lebens erwerbstätig. Was der Mann an Arbeitsleistung schafft, gehört ebenso in eine Analyse der Kosten und des Nutzens hinein. Das gleiche gilt für Hepatitis-C-Patienten. So gesehen sind diese 100.000 Euro gut angelegtes Geld.

Wäre das britische Modell hierzulande überhaupt anwendbar?

Jürges: Klar ist: Die nicht endlos vorhandenen Mittel sollten effizient eingesetzt werden und die größtmögliche Wirkung haben. Das wäre damit möglich. In Deutschland werden im Rahmen des AMNOG [Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz] dafür erst noch Methoden entwickelt. Für die Kosten-Nutzenbewertung verfolgt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) aber andere Standards als die Briten. Unter Gesundheitsökonomen sind diese jedoch umstritten, weil die Methoden theoretisch und praktisch noch nicht ausgereift sind.

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