Barmer GEK fordert noch eine Nutzenbewertung für Arzneimittel

Die Gesetzliche Krankenversicherung führt die Debatte um eine Ausweitung der Nutzenbewertung für neue Arzneimittel hartnäckig weiter. Bei der Vorstellung des Arzneimittelreports 2015 schlugen der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Christoph Straub, und Studienautor Gerd Glaeske zwei Erweiterungen für das AMNOG-Verfahren vor. Die unter anderem geforderte Schnellbewertung allerdings gibt einem bestehenden Problem allerdings nur einen neuen Namen.

Die Ausgaben der GKVen steigen. Angesichts einer steigenden Lebenserwartung und neuer Therapiemöglichkeiten ist das eine absehbare Entwicklung. Für Patienten ist die Zunahme der Innovationen eine erfreuliche Entwicklung, wie auch der Barmer-Vorstandsvorsitzende bei der Vorstellung des Arzneimittelreports am Mittwoch in Berlin betonte. „Wir begrüßen, dass in den nächsten Jahren neue und hochwirksame Medikamente auf den Markt kommen“, sagte Straub. Gleichwohl möchte die Krankenversicherung an der Preisschraube drehen und günstigere Arzneimittelpreise erreichen. Dafür bedürfe es Änderungen am AMNOG-Verfahren.

Schnellbewertung für versorgungsrelevante Medikamente

Die Nutzenbewertung müsse weiterentwickelt werden, so ein Fazit des Arzneimittelreports.
Konkret schlägt die Barmer GEK vor, dass patentgeschützte Medikamente, die einen Jahresumsatz von mehr als 80 Millionen Euro im ersten Jahr der Marktzulassung generieren können (versorgungsrelevante Arzneimittel), künftig einer Schnellbewertung unterzogen werden sollen. Ein ähnliches Verfahren gebe es bereits in Schottland. Mit einer Kosten-Effektivitäts-Analyse solle dabei den Kosten einer Therapie die Wirkung gegenübergestellt werden. Laut Straub könnten die Unternehmen auf diese Weise transparent machen, wie sich der von ihnen festgesetzte Preis begründet. Idealerweise solle dies zum Markteintritt erfolgen. Fraglich ist, ob das eine realistische Maßnahme ist – oder einfach ein provozierender Vorschlag. Schon bei der bestehenden frühen Nutzenbewertung entbrennt häufig ein Streit um die Gültigkeit der vorliegenden Daten. Nur weil das Kind der Barmer GEK einen anderen Namen trägt, ist dieses Problem nicht gelöst. Bei einer Analyse, wie sie heute in Berlin gefordert wurde, müssten Faktoren berücksichtigt werden, die seriös gar nicht evaluiert werden können. Das wird nicht im Interesse der Patienten oder der Kassen sein.

vfa fordert angemessene Bewertungsmaßstäbe

“Eine Schnellbewertung neuer Arzneimittel löst weder die Versorgungsprobleme der
Patienten noch die Strukturprobleme des AMNOG”, sagt Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller. Die bisherige Bewertungspraxis senke häufig die Anreize, innovative
Medikamente in die Versorgung zu bringen. Sie sieht die Gefahr, dass dadurch die Unterversorgung mit neuen Arzneimitteln wächst. Fischer: “Dies lässt sich nicht durch höheres Tempo in der Bewertung lösen,
sondern nur durch angemessene Bewertungsmaßstäbe.”

Als weitere Maßnahme möchte die Barmer bei den versorgungsrelevanten Arzneimitteln eine nachträgliche Nutzenbewertung einführen. „Und zwar drei bis fünf Jahre nach deren Markteintritt“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Bislang sei dies nur nach einer Entscheidung der Schiedsstelle möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) solle dies veranlassen und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit beauftragen, eine Kosten-Nutzen-Bewertung unter Alltagsbedingungen und im Vergleich mit anderen Arzneimitteln beauftragen. In der Vergangenheit hatten Pharmaunternehmen betont, dass sie sich am erfolgten Nutzen ihrer Arzneimittel durchaus messen lassen wollen. Neu ist dieser Vorschlag nicht. G-BA-Chef Josef Hecken hatte dies bereits mehrfach gefordert. Nur über Langzeitdaten ließe sich eine verlässliche Bewertung für Arzneimittel für chronische Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes erreichen.

Als weiteren Punkt, der in vielen Analysen der GKV-Ausgaben bislang unberücksichtigt blieb, führte der Arzneimittelreport-Autor Prof. Gerd Glaeske die Auswirkungen der parenteralen Lösungen bei Krebsbehandlungen auf. Dabei handelt es sich um individuelle Zubereitungen in Apotheken, die als Infusion an Patienten verabreicht werden. Nach Angaben des Pharmakologen hätten diese im vergangenen Jahr mit 424 Millionen Euro ca. zehn Prozent der Kosten für Arzneimittel der Barmer ausgemacht. „Zubereitungen sind ein Segment mit sehr hoher Dynamik, das unserer ungeteilten Aufmerksamkeit bedarf und für die unsere Vorschläge zur Preisfestsetzung gut anwendbar sind“, erklärte Straub.

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