EUPATI will die Arzneimittelforschung besser auf Patientenbedürfnisse ausrichten

Klinische Studien besser auf Patientenbedürfnisse zuzuschneiden, ist eines der Hauptziele der Europäischen Patientenakademie (EUPATI). Die Initiative setzt auf den Austausch mit an der Entwicklung von Arzneimitteln beteiligten Forschern, Firmen und Institutionen. Davon, so hoffen die EUPATI-Macher, profitieren letztlich zahlreiche Patienten.

Eine vorrangige Aufgabe für EUPATI ist es die Verbreitung von Wissen rund um die Medikamentenentwicklung zu verbreiten – und dabei vor allem die Patienteninteressen zu berücksichtigen. „Sicherlich gibt es nützliche Informationen, wie klinische Studien und die Entwicklungsprozesse neuer Therapien funktionieren. Nur sind sie nicht gebündelt an einer Stelle zu finden“, sagt Jan Geißler, EUPATI-Geschäftsführer. Der Münchener ist CML-Patient (Chronisch myeloische Leukämie) und engagiert sich seit mehr als sieben Jahren als Patientenvertreter. Nach seinem Engagement in mehreren unterschiedlichen Organisationen stellt EUPATI wohl eines der umfassendsten Projekte dar.

Online-Wissensdatenbank entsteht

Der Bedarf nach Informationen zu Bestimmungen und Beteiligung von Patienten bei klinischen Studien ist groß. Europaweit. Der erste Kurs der Patientenakademie war mit 50 Teilnehmern aus ganz Europa ausgebucht. Auch der zweite ist stark nachgefragt. Im Rahmen des über 14 Monate andauernden Ausbildungsprogramms loten die teilnehmenden Trainees auch anhand von Fallbeispielen aus, wo es aus Patientensicht Hürden und Unklarheiten bei klinischen Studien gibt.

Neben dem Kurs steht Patientenvertretern ab dem 27. Januar auch eine umfangreiche deutschsprachige Online-Wissensdatenbank über alle Themen des Kurses, darunter präklinische Entwicklung, klinische Studien, Arzneimittelsicherheit, Risiko-Nutzen-Analyse und Nutzenbewertung zur Verfügung. „So einfach wie Wikipedia wird sie künftig abrufbar sein“, so Geißler. Nur ein Baustein, um patientenrelevante Informationen zu verbreiten. Die Kursteilnehmer sollen darüber hinaus wie Multiplikatoren wirken und ihr erworbenes Wissen weitertragen.

Auf europäischer Ebene ist EUPATI hoch angesehen. Gegenwind erlebte die Initiative, die im Rahmen der „Innovative Medicines Initiative“ (IMI) angesiedelt ist, dennoch. „In Deutschland wird die IMI kritisch gesehen“, meint Geißler. Die Kritik entzündete sich vor allem an dem Finanzierungsmodell des Zehn-Millionen-Euro-Projekts EUPATI. Dabei fließen zu gleichen Teilen Gelder aus staatlichen Quellen und von Pharmaunternehmen. Eine öffentlich-private Partnerschaft. Die Arzneimittelhersteller könnten Einfluss auf die Inhalte nehmen, lautete ein Kritikpunkt. Geißler widerspricht. „Wir haben ganz klare Transparenzregeln und alle Inhalte werden in einem komplexen Prozess von Akademikern, Patientenvertretern und externen Beiräten geprüft“, versichert der EUPATI-Geschäftsführer.

EUPATI im Austausch mit der Pharmaindustrie

Zu einem inhaltlichen Austausch kommt es dagegen ständig. Alles andere wäre sinnlos, wenn die Gestaltung der Arzneimittelentwicklung bei allen Akteuren patientenzentrierter werden soll. „Wir können die Probleme kaum lösen, wenn wir nicht alle an einen Tisch bringen, die an den unterschiedlichen Stellen der Arzneimittelentwicklung beteiligt sind“, sagt Geißler. Dass die Industrie keinen Einfluss auf EUPATI nimmt, dafür sorgt ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat. Er überprüft die Inhalte der Schulungen und des Informationsmaterials. Unterstützung erhält das Projekt in Deutschland von dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der pharmakritischen Cochrane-Initiative und mehreren Universitäten.

In der Forschung sieht Jan Geißler eine Menge ungenutztes Potenzial. „Zwar findet viel Forschung statt, doch häufig mit den aus Patientensicht falschen Fragestellungen.“ Eine bessere Einbindung informierter und mündiger Patienten könnte Geißlers Auffassung nach dabei helfen, letztlich bessere Resultate zu erzielen. Ein Ziel, das alle Beteiligten eint: Eine erfolgreiche Entwicklung und Erprobung neuer Wirkstoffe, die Patienten deutliche Verbesserungen bringen.

Ablauf der klinischen Studien verändert sich

Das Einlassen der Pharmaunternehmen auf von EUPATI vorgeschlagene Maßnahmen sorgt bereits für nie dagewesene Umwälzungen in der Praxis klinischer Studien. Dass Probanden künftig Einfluss auf Studiendesigns nehmen können, wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen. Durch die Patientenakademie ist dies jedoch zur Realität geworden. „Wir wollen dazu beitragen, die Entwicklung von Arzneimitteln effizienter und besser zu gestalten“, erklärt Geißler. Dazu gehört, dass sowohl Patientenvertreter als auch an Studien beteiligte Frauen und Männer wissen, wann und wo man sich als mündiger Patient effizient beteiligen kann.

Von fachlicher Seite erhält EUPATI jede Menge Zuspruch. Künftig wollen die Patientenrepräsentanten in Deutschland besser in der Forschung vertreten sein und hier vermehrt andere ansprechen. Auch wenn sich der Start in Deutschland schwierig gestaltet, wurde im September 2015 der Grundstein für eine deutsche EUPATI-Plattform gelegt. Doch das nächste große Ziel für die Patientenakademie ist wohl noch eine größere Herausforderung. 2017 läuft die finanzielle Förderung durch die Europäische Union aus. Jan Geißler hofft, das Projekt dennoch fortsetzen zu können. Die Finanzierung des zweiten Akademie-Kurses ist gesichert. Jeder Kursteilnehmer – das wären nach Abschluss der zweiten Akademie rund 100 – steht stellvertretend für eine Erkrankung. Gemessen an der Anzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder ist klar: Es existiert noch viel, viel mehr Bedarf.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: