Australien will es tun. Und Georgien auch. Auch in Brüssel kommt das Thema auf die Agenda. Dort treffen am 17. Februar 2016 rund 150 Hepatitis-Experten auf politische Entscheidungsträger. Das Thema: Die Ausrottung einer Infektionskrankheit. Mit „Der Anfang vom Ende“ ist der EU-HCV-Gipfel überschrieben. Die Veranstaltung wird von den Unternehmen Abbvie, Gilead, Bristol-Myers Squibb und MSD finanziell unterstützt.
Die medikamentöse Behandlung habe in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Oral einzunehmende Arzneimittel mit exzellentem Sicherheitsprofil und kurzer Behandlungsdauer (drei bis sechs Monate) erreichten bis zu 100 Prozent Effektivität: „Sehr genaue Diagnostik-Methoden und hoch effektive Behandlungsmöglichkeiten bieten die begründete Hoffnung für die Eliminierung von Hepatitis C in den nächsten 15 bis 20 Jahren“, schreiben die Veranstalter.
Voraussetzungen für Eliminierung sind gegeben
Wenige Jahre ist es her, da sah die Zukunft von HCV-Patienten ganz anders aus. Interferon- und Ribavirin-basierte Kombinationen mit starken Nebenwirkungen waren „gewaltige Hürden“ für die Therapietreue, wie Wissenschaftler noch im März 2014 anmerkten. Ein Studienpool mit exakt 13.583 HCV-Infizierten zeigte, dass nur rund 40 Prozent von ihnen überhaupt für eine Behandlung in Frage kamen, tatsächlich aber nur jeder fünfte (19 Prozent) eine Therapie begann. Diese wiederum beendeten nur 13 Prozent – und drei Prozent erzielten ein nachhaltiges virologisches Ansprechen, gelten daher also als geheilt. Eliminierungsstrategien lagen da noch in weiter Ferne.
So schnell vollzieht sich manchmal Medizingeschichte: Dank der neuen Generation der Direct-acting Antiviral Agents (DAAs) und ihrer Kombinationen sind Heilungsraten von 100 Prozent keine Vision mehr. Aber: Mit der Verteilung von ein paar Pillen wird es keine Eliminierung geben. Die gelingt nur, wenn sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen und umgesetzt wird. Eine Eliminierungsstrategie, soll sie Aussicht auf Erfolg haben, muss weit über den medizinischen Bereich hinausgehen.
Das liegt zum Teil an der Krankheit selbst. Denn über die tatsächliche Zahl der Infizierten gibt es nur Schätzungen. Symptome wie Übelkeit oder Erschöpfung und der lange, chronische Verlauf sorgen dafür, dass HCV-Patienten erst spät als solche erkannt werden. Und manche der Patientengruppen – zum Beispiel Drogenabhängige oder Migranten aus Hoch-Prävalenzländern – sind für Diagnose und Therapie schwer zu erreichen und haben ein hohes Wiederansteckungsrisiko. Es ist die berühmte Dunkelziffer, die den Kampf gegen die Krankheit so schwierig macht. Menschen, die nicht wissen, dass sie infiziert sind, sind schwer zu heilen.
Ein starker politischer Wille ist gefragt
Eine Eliminierungsstrategie müsste sich also zunächst das Ziel setzen, Licht ins Dunkle zu bringen. Die Regierung in Georgien, einem Land mit einem der höchsten Prävalenzraten weltweit, geht das systematisch an – allein die Hauptstadt Tiflis hat ungefähr so viele HCV-Infizierte wie Deutschland. Das Land investiert massiv in Diagnose-Kapazitäten und Krankheitsüberwachung (Surveillance). Es stellt die Arzneimittel zur Verfügung, setzt einen Präventionsplan um und begleitet das Ganze mit einer Aufklärungskampagne. „Die Kombination aus starkem politischen Willen, öffentlicher Unterstützung und den Erfahrungen aus der HIV-Prävention führten zu diesem neuen Programm“, stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest. Auch in Australien will man Nägel mit Köpfen machen; die Regierung hat eines der größten Gesundheitsprogramme der Geschichte des Landes aufgelegt. In „Down Under“, wo einer von 100 infiziert sein soll und jährlich 10.000 Neuinfektionen hinzukommen, werden sie über 600 Millionen Euro in die Hand nehmen, um die Krankheit zu bekämpfen. Dort nennt man die neuen HCV-Präparate übrigens nicht „1000-Dollar-Pille“, sondern sie heißen „miracle drugs“: Wunderpillen.
Licht ins Dunkle bringen: Das wäre auch die Hauptaufgabe für eine deutsche Eliminierungsstrategie. Rund 100.000 Menschen sind in Deutschland als Träger des HC-Virus identifiziert. Bei der aktuellen Behandlungsfrequenz könnten sie in den kommenden vier bis fünf Jahren fast alle geheilt sein. HCV-frei ist das Land aber – Stichwort: Dunkelziffer – dann noch nicht. Dringend muss die Datenlage verbessert werden; das Robert-Koch-Institut (RKI) hat deshalb 2014 ein Projekt begonnen: Bei HEP-Epi geht es darum, umfassend die Datenlage zur Krankheitslast (Morbidität, Mortalität) und Versorgung von Hepatitis B (/D)- und C-Infektionen in Deutschland sowie zu ihren Folgeerkrankungen darzustellen.
Im internationalen Vergleich ist Deutschland übrigens „Niedrig-Prävalenzland“. Das Robert-Koch-Institut hat aus Stichproben eine Krankheitshäufigkeit von 0,3 Prozent errechnet – das entspräche einer Population von rund 250.000 Infizierten. In Wahrheit dürfte die Zahl höher liegen, denn Hochrisikogruppen wie Drogennutzer oder Migranten aus Ländern mit hohen HCV-Raten waren in den Datensätzen offenbar unterrepräsentiert, wie das RKI selbst einräumt. Weltweit gelten drei Prozent der Weltbevölkerung als infiziert, wobei die regionalen Unterschiede erheblich sind. Ägypten ist trauriger Rekordhalter: Jeder fünfte hat dort Hepatitis C (22 Prozent). In Europa zeichnet sich ein Nord-Süd-Gefälle ab: Während die skandinavischen Länder geringe Raten haben (ca. 0,1 Prozent der Bevölkerung) sind es in südlichen Ländern wie Bulgarien, Griechenland, Italien oder Rumänien bis zu sechs Prozent.