Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

“AMNOG-Prozess ermöglicht Preisgestaltung bei Immunonkologika”

Die Behandlung von Krebspatienten mit neuen Medikamenten bringt nach Auffassung vieler Onkologen messbare Fortschritte. Prof. Frank Griesinger, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie an der Universitätsklinik Oldenburg, setzt bei Therapien auf einen schnellen Zugang zu diesen innovativen Arzneimitteln. Im Interview mit Pharma Fakten nimmt der Onkologe Stellung zur aktuellen Diskussion um die Preise neuer Krebsmedikamente.

Wie viele Patienten und welche Krankheiten behandeln Sie jährlich im Cancer Center Oldenburg? Wie schwer sind ihre Erkrankung und ihr Zustand?

Prof. Frank Griesinger: Wir haben etwa 1000 Primärfälle im Jahr. Dabei handelt es sich um Patienten, bei denen die Erkrankung neu diagnostiziert und auch die Behandlung bei uns eingeleitet wurde. Hauptsächlich behandeln wir Patienten mit Lungenkrebs, gynäkologischen Tumoren, Brust- und Darmkrebs sowie hämatologischen Tumoren wie Lymphome, Leukämien und Myelome. Sehr viele Patienten sind in einer palliativen Situation – ihre Krankheit ist nicht mehr heilbar. Die Zielsetzung ihrer Therapie ist es, die Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten und das Überleben zu verlängern.

Zuweilen wird die personalisierte Medizin kritisch betrachtet. Welchen Stellenwert hat bei Ihnen die Anwendung der neuen Medikamente und wie wichtig ist der schnelle Zugang zu diesen Arzneimitteln?

Prof. Griesinger: In Deutschland können wir neue Medikamente einsetzen, die aufgrund von überzeugenden Zulassungsstudien durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen werden. Diese Arzneimittel werden von den Krankenkassen vergütet. Wenn die Zulassung durch die EMA zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt als durch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA, stellen die forschenden Pharmaunternehmen die neuen Medikamente häufig vor der Zulassung durch die EMA im Rahmen sogenannter Compassionate-Use-Programme zur Verfügung. Diese Härtefallprogramme entlasten sogar das Gesundheitssystem, weil pharmazeutische Unternehmen diese Medikamente kostenlos bereitstellen.

Der Begriff „personalisierte Medizin“ ist nicht eindeutig definiert und wird unterschiedlich gebraucht. Dadurch kann es zu Missverständnissen kommen. Persönlich ziehe ich es vor, von molekular stratifizierter Therapie zu sprechen: Dies ist der Fall, wenn wir eine genetische Veränderung kennen, die als Treiber für den Tumor dient und die die Tumorzelle von gesunden Zellen unterscheidet. Dazu steht dann ein Medikament zur Verfügung, das wie ein Schlüssel in das Schloss – also die Treiber-Mutation – passt. Wenn wir solche Medikamente bei Patienten gezielt einsetzen, die ohne dieses Arzneimittel statt zehn bis 15 Monate an medianer Lebenszeit nun 50 Monate haben, stellt das für mich einen medizinischen Fortschritt dar. Als ethisch problematisch würde ich es erachten, Patienten diese Medikamente vorzuenthalten.

Kritiker sagen, die Therapien seien zu teuer. Stimmt das?

Prof. Griesinger: Die Therapien mit Immunonkologika sind teuer und man kann durchaus die Frage stellen, ob sie ihren Preis wert sind. Andererseits besteht heute mit dem AMNOG-Prozess die Möglichkeit der Preisgestaltung von neu zugelassenen Medikamenten. Eine Definition, wie viel die Verlängerung eines Menschenlebens mit guter Lebensqualität kosten darf, wurde in Deutschland bisher nicht geführt. In dem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass mit den modernen Medikamenten häufig ein „normales“ Leben inklusive Arbeitsleben verknüpft sein kann. Bei der Auswahl von Therapieoptionen bin ich davon geleitet, die bestwirksame und zugleich nebenwirkungsärmste Therapie für den Patienten anzuwenden. Bei mehreren therapeutischen Möglichkeiten gleicher Wirksamkeit und gleicher Nebenwirkungen gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot.

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