Knapp zwei Wochen nach dem vorläufigen Ende des Pharmadialogs herrschte dringender Diskussionsbedarf über mögliche neue, aber auch altbekannte Problemfelder. Moderator Andreas Mihm (Wirtschaftsredakteur Frankfurter Allgemeine Zeitung) rang den Diskussionsteilnehmern klare Standpunkte ab. Dadurch kam es teilweise zum offenen und mitunter unterhaltsamen Schlagabtausch. Ludwig etwa bemängelte mehrfach die seiner Auffassung nach zu hohen Preise für Krebsmedikamente, die in der Relation angeblich zu wenig Fortschritt für Patienten brächten. Diese Argumentation parierte Fischer mit einem Fingerzeig auf die im AMNOG-Verfahren enthaltene Nutzenbewertung. Die in ihren Methoden strenge wie auch stark umstrittene Methode bescheinigt vor allem denjenigen Präparaten, die der AkdÄ-Vorsitzende fortwährend kritisiert, im Vergleich zu anderen Medikamenten häufig positive Bewertungen. Auch Hennrich widersprach Ludwigs Sichtweise: „Dann müssten sie sagen, das AMNOG funktioniert nicht.“
Ludwigs Behauptung, dass Pharmaunternehmen die Onkologika auch noch stark bewerben würden, ließ nicht nur die vfa-Hauptgeschäftsführerin staunen. „Es weiß doch wohl jeder, dass verschreibungspflichtige Medikamente unter das Heilmittelwerbeverbot fallen“, entgegnete sie. Ohnehin: Nähme man AMNOG-Bewertungen als Maßstab, scheint dieser kaum Relevanz für Ärzte zu besitzen. Studien zu Folge kommen selbst gut bewertete Präparate in der Versorgung häufig nicht an. Liegt es mangelnden Informationen, die Ärzten zur Verfügung stehen, oder ist es die Angst der Ärzte vor ruinösen Regressen, wenn sie hochpreisige Medikamente verschreiben? Abschließend ließ sich dies in der Diskussionsrunde nicht klären.
Informationsbedarf zu neuen Medikamenten wächst
Nichtsdestotrotz gibt es offenbar einen immer größer werdenden Informationsbedarf zu neuen Medikamenten, da sie in ihrer Wirkung immer komplexer werden und in Kombinationen angewandt werden. Und auch wegen vermehrt zu erwartender beschleunigter Zulassungen wünschen sich der Onkologe Ludwig und der Politiker Lauterbach eine breitere Evidenzbasis. Die Designs der Zulassungsstudien seien zu wenig belastbar, so der SPD-Politiker. Dies könne auch hinsichtlich der Nutzenbewertung problematisch werden. Ludwig wiederholte in diesem Zusammenhang nachdrücklich eine seiner Kernforderungen: „Eine spätere Nutzenbewertung ist unverzichtbar.“ In den nächsten Jahren erwarte er immer weniger Evidenz. Hennrich räumte ein, dass eine spätere Nutzenbewertung durchaus in Frage kommen könnte. Gleichwohl wies er darauf hin, dass es schon entsprechende Steuerungsmittel gebe. „Der Gemeinsame Bundesausschuss kann zusätzliche Studien einfordern“, sagte er und kritisierte anschließend: „Doch das wird kaum genutzt.“
Konsens herrschte immerhin grundsätzlich bei der Daseinsberechtigung des AMNOG. Das „lernende System“, das im Wesentlichen die Preisgestaltung für neue Arzneimittel reguliert, könnte nach den vorläufigen Ergebnissen des Pharmadialogs jedoch erweitert werden. Die Einführung einer Deckelung ab einer noch zu definierenden Umsatzschwelle ist Gegenstand der aktuellen Diskussion. CDU-Politiker Hennrich gab sich dem gegenüber offen. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass er die aktuelle Praxis der Rabattverhandlungen als sehr erfolgreich betrachte. Ludwig sähe die Einführung eines Schwellenwerts skeptisch, „weil er nicht sachlich begründet wäre“. Wichtiger sei für ihn, dass versorgungsrelevante Medikamente zur Verfügung stehen. Auch Litsch sieht darin wenig Potenzial. „Dies hilft uns nur bei drei Arzneimitteln.“ Birgit Fischer sagte: „Wir alle wollen Innovationen. Sie müssen für jeden zugänglich sein.“ Da käme ein Schwellenwert einem Strafzoll für eben jene Innovationen gleich.
Reimporte bringen kaum Einsparungspotenzial
Gegen Ende der Diskussion brachte Moderator Mihm mit einer möglichen Abschaffung von Reimporten nach Deutschland ein Thema ins Spiel, um das es zuletzt ruhig geworden war. Die Zweifel an dieser Praxis mehren sich offensichtlich. Hennrich konstatierte: „Diese Praxis bietet kaum einen Mehrwert.“ Auch AOK-Chef Litsch sieht darin wenig Sinn. „Das bietet kaum Potenzial für Einsparungen“, erklärte er. Immerhin eine Meinung, bei der sich alle Teilnehmer des Diskussionsforums einig waren.