„Die Herausforderungen im Gesundheitswesen haben sich in Charakter und Komplexität seit Beginn dieses Jahrhunderts dramatisch verändert“, hatte die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Dr. Margaret Chan, schon 2015 erklärt. Und tatsächlich: Noch im Jahr 2000 spielten nichtübertragbare Krankheiten (Non-Communicable Diseases, NCD) keine Rolle in den Millenniums-Entwicklungszielen der Weltgemeinschaft.
Inzwischen stellen sie jedoch in ihrer Gesamtheit weltweit die häufigste Todesursache dar. Vor allem in Entwicklungsländern nimmt ihr Zuwachs das Ausmaß einer Krise an. NCDs „können nicht mehr als ein Problem reicher Länder betrachtet werden“, so Chan. Dies ist der gestiegenen Lebenserwartung, aber auch der Globalisierung krankmachender Lebensweisen wie Tabak- und Alkoholkonsum zu verdanken. Im Gegensatz zum wohlhabenden Teil der Welt fehlen Aufklärung, Prävention und Medikamente zur Behandlung. So ist es nicht verwunderlich, dass zwischen den Jahren 2000 und 2015 die Zahl verlorener Jahre aufgrund vorzeitigen Todes und Krankheit (=DALYs) durch NCDs in Ländern mit niedrigem Einkommen um 56 Prozent angestiegen ist (siehe Grafik). Als ein „Desaster für die Gesundheit, die Gesellschaft und vor allem die Volkswirtschaften“ hatte WHO-Chefin Chan schon 2011 die Lage bezeichnet.
Entwicklungsländer sehen sich einer Doppelbelastung gegenüber: Die Verbreitung von nichtübertragbaren Krankheiten wächst schneller an, als übertragbare Krankheiten wie HIV zurückgehen. Das bremst nicht nur die Entwicklung, auch die Weltwirtschaft leidet darunter: Das Weltwirtschaftsforum rechnet für die Jahre 2011 bis 2030 mit Produktionsverlusten in Höhe von 47 Billionen US-Dollar allein durch die Einflüsse von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, Diabetes und psychischen Krankheiten – eine gigantische Zahl mit 14 Stellen.
Die Vision: Kein Mensch soll vorzeitig an einer vermeidbaren Erkrankung sterben
Im Vergleich dazu wirkt das Budget, das benötigt wird, um die globale Belastung durch NCDs reduzieren zu können, gar nicht mehr so hoch: Auf rund 11 Milliarden US-Dollar pro Jahr schätzt es die WHO. In diesem Sinne haben im Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 22 biopharmazeutische Unternehmen die weltweite Initiative „Access Accelerated“ gestartet. Angelegt auf drei Jahre, will das Bündnis mit einer Finanzierung von 50 Millionen US-Dollar und über zusätzliche Firmenprogramme Zugangsbarrieren in Bezug auf Prävention, Behandlung und Versorgung von NCDs angehen. „Im Engagement für ‘Access Accelerated’ verfolgen die Partner die gemeinsame Vision, dass kein Mensch vorzeitig an einer vermeidbaren, behandelbaren Erkrankung sterben muss”, verkündete Ian Read, Chief Executive Officer von Pfizer und Präsident der International Federation of Pharmaceutical Manufacturers and Associations (IFPMA).
In Zusammenarbeit mit der Weltbank werden Pilotprogramme im Bereich der Primärversorgung implementiert, um die Situation von NCD-Patienten in verschiedensten Ländern zu verbessern. Bereits existierende Initiativen wie das „Open Lab“, in dem GlaxoSmithKline nichtübertragbare Krankheiten in Afrika erforscht und regionale Wissenschaftler zu Experten ausbildet, sollen zusätzliche Unterstützung erfahren. Außerdem will man Partnerschaften mit verschiedenen Organisationen aus den NCD-Bereichen bilden: „Access Accelerated“ wird die Union for International Cancer Control (UICC) in der Entwicklung von nachhaltigen Versorgungsmodellen bei Krebserkrankungen in Großstädten unterstützen. Cary Adams, Chief Executive Officer der UICC, erklärt: „Diese Zusammenarbeit wird es uns ermöglichen, die Überlebensraten bei Krebs in der ganzen Welt zu verbessern.”
Das große Ziel: Bis 2030 sollen vorzeitige Todesfälle durch Zivilisationskrankheiten um ein Drittel vermindert werden. Dazu ist vor allem Arbeit in Entwicklungsländern von Nöten. Denn: Von den weltweit 16 Millionen Menschen, die aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten sterben, bevor sie 70 werden, kommen 82 Prozent aus Nationen mit niedrigem und mittlerem Einkommen – einfach, weil es an Aufklärung und Versorgung fehlt.