Der Countdown läuft – und diesmal ist er ernst gemeint: Wer es als Pharmahersteller bis zum 8. Februar 2019 nicht geschafft hat, sein gesamtes Produktionssystem auf die Anforderungen umzustellen, die die EU-Verordnung 2016/161 zur Umsetzung der Fälschungsschutz-Richtlinie vorgibt, darf ab dem 09. Februar 2019 keine rezeptpflichtigen Arzneimittel mehr in Verkehr bringen – in ganz Europa. Betroffen von dieser Regelung sind rund 400 der mehr als 650 deutschen Pharmaunternehmen. Aktiv darauf vorbereitet haben sich bisher rund hundert.
Deutschland und Schweden führend in Europa
„Deutschland ist auf einem guten Weg, die Fälschungsschutz-Richtlinie pünktlich umzusetzen. Sorgen macht uns der Stand der Vorbereitungen im Rest Europas“, sagt Dr. Reinhard Hoferichter, Vorstandssprecher der gemeinsamen Branchenorganisation securPharm e.V. Denn im Vergleich mit fast allen EU-Ländern sowie den Nicht-EU-Ländern Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein, die sich der Fälschungsschutzrichtlinie von 2011 freiwillig angeschlossen haben, sind Deutschland und Schweden führend beim Aufbau des Systems zur Echtheitsprüfung von Arzneimitteln. Nur Frankreich, Großbritannien, Spanien, Norwegen und vier weitere sind nach dem jüngsten Report der European Medicines Verification Organisation (EMVO) wenigstens einigermaßen im Plan (siehe Grafik).
Die große Mehrheit der Länder hingegen ist bei der Umsetzung des europäischen Fälschungsschutzschilds noch längst nicht dort, wo sie nach den Vorgaben der EU eigentlich sein sollten. „Zwei Drittel unserer Mitgliedsländer liegen in ihren Vorbereitungen auf die Zielmarke Februar 2019 hinter dem Zeitplan zurück“, hat Andreas Walter, der Exekutivdirektor der EMVO, in einem Interview Anfang Februar betont. In vier Ländern seien die erforderlichen technischen Vorarbeiten noch nicht einmal gestartet worden. „Wir stellen erhebliche Mängel fest, was den Bereitschaftsstand der Pharmahersteller angeht – besonders bei den kleinen und mittleren Unternehmen.“
Teurer Umstellungsprozess – vor allem für kleinere Pharmahersteller
Letzteres gilt – mit Einschränkungen – auch für Deutschland. Das ist durchaus verständlich: Zwischen 100.000 und 400.000 Euro pro Fertigungslinie kann es Schätzungen zufolge die Pharmahersteller kosten, ihre Produktion auf die Erfordernisse der EU-Vorschriften umzurüsten.
Zusatzkosten dieser Größenordnung sind gerade für kleinere Unternehmen schwer zu tragen. Dass sie bestrebt sind, sie so lange wie möglich hinauszuschieben, ist auch für Fälschungsschutz-Experten absolut nachvollziehbar. Andererseits, mahnt Walter müssten sich alle Hersteller, die rezeptpflichtige Arzneimittel im Sortiment haben, klarmachen: „Wer bis zum Februar 2019 die Umstellung nicht geschafft hat, kann seine Produkte in Europa nicht mehr verkaufen.“
In Deutschland sind die Voraussetzungen, diesen gewaltigen Change Management-Prozess, der die gesamte Produktions- und Vertriebskette der Arzneimittelhersteller betrifft, aktiv anzugehen, schon heute gegeben. Nur hier stehen die technischen Werkzeuge dafür schon in voller Funktionsfähigkeit zur Verfügung. Herzstück des Verifizierungssystems ist die riesige Hersteller-Datenbank, die die verbandseigene ACS PharmaProtect GmbH entwickelt und betreibt.
Alle großen Pharmaverbände tragen das ACS-System
Diese Firma haben die drei Branchenverbände BPI, vfa und BAH schon 2012 gemeinsam gegründet; seit März 2017 ist nun als vierter Verband auch der Pro Generika e.V. Mitgesellschafter bei ACS PharmaProtect. ACS ist zuständig für den Aufbau und die vertragliche und technische Anbindung der pharmazeutischen Hersteller. Die müssen dafür sorgen, dass ihre Produkte ausnahmslos mit einer eindeutigen Seriennummer gekennzeichnet werden, sodass sie durch die gesamte Liefer- und Vertriebskette hindurch verfolgt und authentifiziert werden können.
Aufgabe des securPharm-Vereins ist es, das Gesamtsystem bereitzustellen, mit dem ab 2019 alle 756 Millionen Rx-Arzneimittelpackungen, die Jahr für Jahr in Deutschland verkauft werden, vor Abgabe an den Patienten auf ihre Echtheit und Unversehrheit überprüft werden können. Ab Februar 2019 müssen somit alle 20.000 Apotheken in Deutschland sowie alle Krankenhaus- und Versandapotheken mit Scannern ausgerüstet sein, die jede einzelne Verpackung mithilfe des aufgedruckten Data Matrix Codes (DMC) identifizieren können. Ist eine Verpackung in der ACS-Datenbank registriert und noch original verschlossen, darf sie abgegeben werden. Erkennt der Scanner die Nummer aber nicht oder ist der Sicherheitsverschluss aufgebrochen, erhält der Kunde eine andere Packung seines Medikaments. Die Apotheke muss den Fall als „Fälschungsverdacht“ melden – mit entsprechenden Folgen für den Hersteller des Medikaments.
Hersteller-Datenbank schon voll praxistauglich
Schon seit 2013 steht die ACS-Datenbank den Herstellerunternehmen mit allen wesentlichen Funktionalitäten zur praktischen Erprobung der Arzneimitte-Verifizierung zur Verfügung. In Testläufen mit Hunderten von angeschlossenen Apotheken und mehreren Millionen Arzneimittelpackungen hat sich gezeigt: Das System bewältigt die anspruchsvolle Aufgabe zuverlässig und kostengünstig und ist voll praxistauglich. Erste Tests in Krankenhausapotheken laufen seit Anfang Januar 2017.
Um die 100 Herstellerfirmen haben sich inzwischen der ACS-Datenbank angeschlossen und nutzen sie zur Optimierung ihrer internen Umstellungsprozesse. Wer sich als Pharmahersteller dafür nicht genügend Zeit nimmt, läuft Gefahr, nach Ablauf der Übergangsfrist in Schwierigkeiten zu kommen. „Meine Empfehlung ist, diese Chance jetzt zu nutzen, um die Prozesse zu trainieren, bevor es am 9. Februar 2019 endgültig ernst wird“, mahnt securPharm-Sprecher Hoferichter eindringlich. „Angesichts der komplexen Anforderungen sind die verbleibenden zwei Jahre für die Umsetzung eine knappe Zeit.“