Herstellerabschläge, Rabattverträge mit den Pharmaunternehmen, Zwangsabschläge bei den Apotheken und die Zuzahlung der Patienten: Zahlreich sind die Gründe, warum die jährliche Nettobelastung der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland deutlich geringer ausfällt, als es die Zahlen, die der Spitzenverband der GKV in seinen Bilanzen nennt, erkennen lassen.
Knapp 31 Milliarden Euro haben alle gesetzlichen Kassen zusammen nach den Berechnungen des internationalen Marktforschers QuintilesIMS (früher: IMS Health) 2016 tatsächlich für Arzneimittel aufgewendet – 3,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Anteil der Arzneimittelkosten an den Netto-Gesamtausgaben der Kassen ist damit ein weiteres Jahr stabil geblieben: Er liegt auch 2016 bei 17 Prozent (Vorjahr: 17,2 %) – der drittgrößte Kostenblock hinter den Krankenhaus- und den Arztbehandlungen.
Größter Minus-Effekt: die Rabattverträge
Damit haben sich einmal mehr die Prognosen nicht bewahrheitet, die regelmäßig vor „hohen Kostensteigerungen bei den Arzneimittelpreisen“ warnen. Der Einzeleinfluss, der die Kosten am meisten drückt, sind wie üblich die Rabattverträge: Sie brachten den Kassen 2016 Einsparungen von 3,85 Milliarden Euro – ein Zuwachs von fast 8 Prozent. Bei den Ausschreibungen, die die Kassen zur Vorbestellung großer Mengen generischer Medikamente tätigen, fordern sie den Herstellern oft hohe Rabatte ab, die im Durchschnitt rund 45 Prozent des Ausgangspreises erreichen. Aus manchen wichtigen Generika-Märkten haben sich deutsche Pharmaunternehmen in den vergangenen Jahren daher mehr und mehr zurückgezogen: Sie sahen durch die hohen Rabattforderungen ihr wirtschaftliches Überleben als gefährdet an.
AMNOG-Preise nicht in den Einsparungen enthalten
Der zusätzliche Spareffekt, den die Kassen 2016 durch die Verhandlungen über die Preise neuer Arzneimittel im Zuge des „AMNOG-Verfahrens“ erzielt haben, wird aus den neuen IMS-Zahlen gar nicht ersichtlich. Nach einer positiven Beurteilung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nämlich treten die GKV-Vertreter und die Hersteller der Arzneimittel, die in der „frühen Nutzenberwertung“ neu in den Erstattungs-Kanon der Kassen aufgenommen werden, in Preisverhandlungen ein, die die Preise für die modernen Therapien meist deutlich senken.
Da diese Preissenkung pro Jahr 30 bis 40 zusätzliche Arzneimittel modernster Art betrifft, erhöht sich der Einspareffekt von Jahr zu Jahr: Von 370 Millionen Euro in 2014 war er bereits auf 770 Millionen in 2015 angewachsen. 2016 haben die AMNOG-Einsparungen noch einmal kräftig zugelegt: Sie erreichten eine Höhe von 1,15 Milliarden Euro – 42 Prozent mehr als im Vorjahr. Die IMS-Zahlen weisen sie deshalb nicht als Einsparung auf, weil die Erstattungspreise schon als „Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmer“ (ApU) in die Apothekenverkaufspreise eingehen.
Auch Gesundheitsminister gibt Entwarnung
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hatte in seiner Erklärung zu den Finanzergebnissen der gesetzlichen Krankenversicherung schon Anfang März darauf hingewiesen: „Die Panikmache, mit der Versicherte verunsichert wurden, hat sich als falsch erwiesen.“ Nach den Zahlen seines Ministeriums sind die „Arzneimittelausgaben je Versicherten“ so mäßig gestiegen wie seit Jahren nicht mehr: Nach 9,4 Prozent in 2014 und 4 Prozent in 2015 betrug der Zuwachs pro Kopf 2016 nur noch 3,1 Prozent. Denn nicht zu vergessen: Die Versicherten-Zahl in der GKV ist 2016 um fast eine Million angestiegen – von 71,3 Millionen auf 72,1 Millionen Versicherte.