Neue Antibiotika werden dringend gebraucht. Das britische Gesundheitssystem testet deshalb ein neues Bezahlmodell  um die Entwicklung von Antiinfektiva zu beschleunigen. Foto: ©iStock.com/microgen
Neue Antibiotika werden dringend gebraucht. Das britische Gesundheitssystem testet deshalb ein neues Bezahlmodell um die Entwicklung von Antiinfektiva zu beschleunigen. Foto: ©iStock.com/microgen

Neue Antibiotika-, Krebs-, HIV- und Hepatitis-Mittel werden für unverzichtbar erklärt

Alle zwei Jahre schreibt die Weltgesundheitsorganisation ihre „Essential Medicines List“ (EML) neu. Aufgeführt sind dort Arzneimittel, die die WHO-Experten für so wichtig halten, dass der Zugang zu ihnen in allen Ländern der Welt für alle Patienten offen stehen sollte. Die EML 2017 enthält 55 neue Medikamente – darunter viele der erfolgreichen modernen Arzneimittel gegen globale Gesundheitsprobleme wie Krebs, Hepatitis C, Tuberkulose und HIV.

1977 hat die WHO ihre erste „Essential Medicines List“ (EML) veröffentlicht. Seither dient die Liste in den meisten Ländern als Vorbild für die nationalen Arzneimittel-Vorranglisten. Sie wurde vor zehn Jahren um die „EMLc“ (children) ergänzt – eine Leitliste für die wichtigsten Medikamente gegen Kinderkrankheiten. Beide Listen werden alle zwei Jahre überprüft und ergänzt – um diejenigen Mittel, die die Mitglieder des „WHO Expert Committee on the Selection and Use of Essential Medicines“ für die bedeutendsten Neuerungen der jüngsten Vergangenheit halten.

Erstmals auf der Liste: Prophylaxe-Mittel gegen HIV (PrEP)

Die neue Liste für 2017 hat die WHO am 6. Juni 2017 herausgegeben. Sie enthält insgesamt 433 Arzneimittel, die die WHO-Experten als unverzichtbar für die öffentliche Gesundheit einschätzen. Gegenüber 2015 sind 55 Mittel neu hinzugekommen – 30 für Erwachsene und 25 für Kinder. Für neun bereits gelistete Mittel wurden zusätzliche Anwendungsgebiete definiert. „Sichere und wirksame Medikamente sind ein essenzieller Bestandteil jedes Gesundheitssystems weltweit“, betonte Marie-Paule Kieny, stellvertrende Generaldirektorin der WHO, bei der Vorstellung der EML 2017 in Genf.

Zu den wichtigsten Mitteln, die erstmals in der Liste aufgeführt sind, zählen neue Präparate bzw. Wirkstoffkombinationen gegen Blutkrebs, Hepatitis C, HIV-Infektionen, Tuberkulose bei Kindern und chronische Schmerzen für Palliativ-Kranke. Bemerkenswerte Beispiele sind:

  • die Wirkstoffe Dasatinib und Nilotinib zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie – einer seltenen, besonders bösartigen Erkrankung des Knochenmarks
  • ein antivirales Kombinationspräparat, mit dem alle sechs Typen von Hep C behandelt werden können (pangenotypisch)
  • ein neuer Wirkstoff zur langfristigen Behandlung von HIV-Infektionen
  • der bereits bekannte Wirkstoff Tenofovir, der (ggf. in Kombination mit anderen Wirkstoffen) auch zur Vorbeugung gegen HIV-Infektionen (PrEP) eingesetzt werden kann
  • neue Wirkstoffe zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen bei einer Infektion mit multiresistenten Tuberkulose-Bakterien
  • neue Einsatzformen von Methadon und Fentanyl zur Schmerzbehandlung von Krebspatienten im Endstadium.

Neue Basis-Kategorisierung für Antibiotika

Die umfassendste Revision in der 40-jährigen Geschichte der EML hat die Antibiotika-Sektion der Liste erfahren. Erstmals haben die WHO-Experten eine Einteilung der wichtigsten Antibiotika in drei Basis-Kategorien vorgenommen – begleitet von ausführlichen Empfehlungen, wie und wann die Mittel jeder Kategorie zum Einsatz kommen sollen und wann nicht. Ziel der Kategorisierung: Die WHO will sicherstellen, dass die Behandlungen künftig bessere Ergebnisse erzielen, die Entwicklung resistenter Bakterien verhindert wird und der Einsatz wirksamer Reserve-Antibiotika auch in Zukunft gewährleistet werden kann.

  • In der ACCESS-Gruppe sind alle Antibiotika enthalten, die jederzeit für die Behandlung verbreiteter Infekte verfügbar sein müssen.
  • Die WATCH-Gruppe umfasst alle Antibiotika, die als „Mittel erster oder zweiter Wahl“ für eine kleine Gruppe selten vorkommender Infektionen eingesetzt werden.
  • Unter RESERVE sind die Antibiotika eingruppiert, die nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen sollten, wenn alle sonstigen Alternativen versagen – d.h. im Falle lebensbedrohlicher Infektionen oder zur Bekämpfung besonders gefährlicher multiresistenter Keime.

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