Bei vielen Betroffenen bleibt der Knochenschwund (lange) unerkannt – und unbehandelt. Dabei ist es eine Volkskrankheit der alternden Gesellschaft. Foto: © iStock.com/Jovanmandic
Bei vielen Betroffenen bleibt der Knochenschwund (lange) unerkannt – und unbehandelt. Dabei ist es eine Volkskrankheit der alternden Gesellschaft. Foto: © iStock.com/Jovanmandic

Biologische Medikamente: Quantensprung in der Rheumabehandlung

Die ersten biologischen Medikamente – Ende der 1990er Jahre eingeführt – haben die Rheumabehandlung revolutioniert. Aber die Forschung muss weitergehen: Denn noch immer sind einige Patienten nicht ausreichend behandelbar. Studien gehen davon aus, dass rund 30 Prozent der Betroffenen nicht oder nicht ausreichend auf die Medikamente ansprechen.

Früher war alles Rheuma, wofür man keine passende Diagnose fand. Hinter dem Begriff verbergen sich auch heute noch – je nach Definition und Quelle – zwischen 100 und 400 Krankheiten: Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew, Osteoporose, Arthrose oder Gicht. Rheuma hat viele Namen. Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Rheuma der Überbegriff für Erkrankungen, die an den Bewegungsorganen auftreten und fast immer mit Schmerz und häufig mit Bewegungseinschränkungen verbunden sind. Gemeinsam ist ihnen ein äußert komplexer Entzündungsprozess.

Rheumatische Erkrankungen begleiten die Menschheit offenbar von Anbeginn – die ältesten Nachweise sind 4.500 Jahre vor Christus belegbar. Beten und Zauberei war lange das einzige Gegenmittel. Die Römer schworen auf Weidenrinde. Die positive Wirkung auf die Gelenke des in ihr enthaltenen Salicin (bekannt vom Aspirin) ist mittlerweile wissenschaftlich belegt. Später setzte man auf Aderlass, Brech- und Abführmittel, harntreibende Stoffe, auf Gold und Opium. Aber die Rheumatherapie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Sie profitiert von neuen Erkenntnissen aus den Bereichen der Molekularbiologie, der Genetik und der Zellforschung.

Ein Durchbruch: Die ersten TNF-alpha-Blocker

Ein bedeutendes Jahr in der Behandlung rheumatischer Erkrankungen war 1998. Da kam ein biologisches Medikament auf die Welt: Etanercept, ein gentechnisch hergestelltes Protein und der erste so genannte TNF-alpha-Blocker. TNF steht für Tumornekrosefaktor. Man hatte festgestellt, dass dieser Signalstoff im Gelenk von Patienten mit einer chronischen Polyarthritis stark erhöht war und folgerte daraus, dass er bei der rheumatischen Gelenkzerstörung eine wesentliche Rolle spielt. Dies führte zu der Überlegung, Substanzen zu entwickeln, die TNF-alpha hemmen. Später kamen Wirkstoffe wie Infliximab, Adalimumab sowie Golimumab hinzu. Sie sind monoklonale Antikörper, die ebenfalls das TNF hemmen – wenn auch auf andere Weise als Etanercept.

„Die Behandlungsmöglichkeiten für die wichtigsten entzündlichen Erkrankungen haben sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch verbessert“, sagt Prof. Dr. med. Klaus Krüger. Er ist Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie an der Universität in München. Man verfüge mittlerweile über ein breites Spektrum verschiedener Biologika: „Die Substanzgruppe ist gut untersucht, dadurch sind die Risiken der Therapie insgesamt sehr gut bekannt – und auch überschaubar.“ Denn auch lange nach Zulassung werden Studien durchgeführt, um herauszufinden, ob sich neue Medikamente in der Langzeittherapie bewähren. Weil die Medikamente immunsuppressiv wirken, muss bei den Patienten vor allem auf Infektionen geachtet werden.

Im Vergleich zu den herkömmlichen Basistherapeutika, so schreibt die Rheuma-Liga, haben biologische Medikamente zwei Vorteile: „Sie wirken sehr schnell, meist schon nach wenigen Tagen. Und sie wirken häufig (aber nicht immer) auch bei den Patienten, deren rheumatische Erkrankung auf die üblichen Therapien nicht oder nicht ausreichend reagiert hat.“

Der Bedarf an Innovationen ist weiterhin hoch

„Es herrscht weiterhin ein hoher Bedarf an medizinischer Innovation“, sagt Dr. Stefan Simianer. Er ist ebenfalls Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie – und Geschäftsführer der Forschung und Entwicklung von AbbVie, einem US-amerikanischen Pharmaunternehmen, das in Ludwigshafen einen großen Forschungsstandort unterhält. „Wir wissen, dass einige Patienten mit rheumatoider Arthritis nur unzureichend auf bestehende Therapien ansprechen – und für manch andere chronisch-entzündliche Erkrankungen gibt es noch gar keine adäquaten Behandlungsmethoden.“ Pharmaunternehmen suchen deshalb nach verschiedenen neuen Wirkprinzipien. Dazu zählen beispielsweise die so genannten JAK-Inhibitoren. JAK steht für Januskinasen. Das sind Enzyme, die Signale von außerhalb der Zelle ins Innere der Zelle weiterleiten. Die Hoffnung ist, dass JAK-Inhibitoren für Patienten in Frage kommen, die auf bisherige Therapien nicht ausreichend ansprechen. Und auch die Hemmung von bestimmten Signalstoffen, sogenannten Interleukinen, ist ein wichtiger Bestandteil einer modernen Rheuma-Therapie. Für beide Wirkansätze gilt: Die ersten Medikamente sind bereits zugelassen – weitere werden erforscht.

Ein weiterer Ansatz sind so genannte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Antibody Drug Conjugate, kurz: ADC). Die Idee dahinter: Ein Antikörper als zielgerichtetes Molekül nimmt einen chemischen Wirkstoff sozusagen Huckepack und transportiert ihn direkt dorthin, wo er wirken soll. In Mausmodellen für entzündliche Arthritis konnte in Verbindung mit TNF-Hemmern und Glukokortikoiden ein vollständiges Abklingen der Erkrankung gezeigt werden. Nun müssen klinische Studien beweisen, dass das auch beim Menschen funktioniert.

Biopharmazeutika sind aus einer modernen Rheumatherapie nicht wegzudenken. Von den über 600 Wirkstoffkandidaten, die sich gerade in verschiedenen Stadien der klinischen Entwicklung befinden, zielt jedes fünfte Forschungsprojekt auf entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma – sie sind nach Krebs einer der großen Forschungsschwerpunkte von Pharmaunternehmen.

Weiterführende Links:

http://www.worldarthritisday.org/ 

https://pharma-fakten.de/fakten-hintergruende/newsbites/biopharmazeutika-die-erfolgsstory-setzt-sich-fort/

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