Der Fortschritt in der Onkologie  der Kampf gegen den Krebs  ist schnell – und er ist unübersehbar. Ein Bericht vom diesjährigen Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit (HSK 2019). Foto: CC0 (Stencil)
Der Fortschritt in der Onkologie der Kampf gegen den Krebs ist schnell – und er ist unübersehbar. Ein Bericht vom diesjährigen Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit (HSK 2019). Foto: CC0 (Stencil)

Der Treiber des Fortschritts?

Innovative Medikamente haben die Behandlung des Multiplen Myeloms in den letzten Jahren revolutioniert. Doch trotz des immensen Fortschritts weiß Dr. Michael Zaiac, Mediziner beim Pharmaunternehmen Celgene Europa: Es ist noch viel zu tun. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Erkrankung eines Tages heilbar sein wird“, zeigt er sich optimistisch.

Forschung kann viel bewirken. Wie viel, das zeigt sich am Beispiel des Multiplen Myeloms. In dieser Indikation hat sich die Zahl der klinischen Studien seit den frühen 2000er Jahren ungefähr verdreifacht. Das Wissen über die Krankheit wächst – und damit die Chancen der Menschen auf neue Medikamente. Das Ergebnis: Die Zahl der Patienten, die fünf Jahre nach ihrer Diagnose noch leben, steigt immer weiter an. Krebsforschungsspezialist Dr. Michael Zaiac erzählt: „Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate beim Multiplen Myelom hat seit 1990 um mehr als 60 Prozent zugenommen. Das ist weit mehr als wir für alle Krebsarten im Durchschnitt beobachten können.“ Hier lag der Anstieg bei etwa 15 Prozent.

Auch die Arbeitsgemeinschaft Multiples Myelom berichtet auf ihrer Webseite von ähnlichen Fortschritten: „Über 40% der Patientinnen und Patienten leben mittlerweile mehr als zehn, 15 Jahre nach Diagnose“. Auf Patiententagen werde schon von 20 und mehr Jahren Gesamtüberlebenszeiten berichtet. Vor diesem Hintergrund ruft die Organisation die Betroffenen vor allem zu einem auf: Zuversicht. „Lassen Sie uns […] für Gegenwart und Zukunft optimistisch sein.“

Das Multiple Myelom ist ein nicht heilbares Krebsleiden des Knochenmarks. Etwa 6000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland daran. Doch heutzutage haben Patienten bezüglich Überlebenszeit und Lebensqualität ganz andere Aussichten als noch vor 20 Jahren. Fragt man Zaiac, was den immensen Fortschritt möglich gemacht hat, antwortet er: „Ohne Zweifel: Innovation.“

Seit 2011: Weltweit sechs neue Wirkstoffe

Der Bericht „Global Oncology Trends 2017“ des Pharma-Statistikers QuintilesIMS unterstützt diese Aussage: Allein seit 2011 wurden weltweit sechs neue Wirkstoffe gegen den Blutkrebs zugelassen. Den Patienten stehen heute zum einen immunmodulatorische Substanzen zur Verfügung – also Stoffe, die das Immunsystem auf bestimmte Weise beeinflussen und in seinen Abwehrmechanismen stärken. Zum anderen kommen Proteasom-Inhibitoren zum Einsatz, die den Abbau krankhafter und nicht mehr benötigter Proteine in den Zellen hemmen. Das führt letztlich dazu, dass die Tumorzellen an ihrem eigenen Protein-Müll „ersticken“. Außerdem kann ein Histon-Deacetylase-Inhibitor in die beim Multiplen Myelom fehlgesteuerte, epigenetische Zellprogrammierung eingreifen. Dadurch sollen Gene, mit deren Hilfe die Bildung von Krebs normalerweise verhindert wird (Tumorsuppressorgene), reaktiviert werden. Zusätzlich gibt es hochspezialisierte, zielgerichtete monoklonale Antikörper, die in der Lage sind, natürliche Abwehrprozesse des Körpers gegen die Krankheit zu aktivieren.

Die verschiedenen Arzneimittel-Klassen zeigen: Den Patienten steht eine immer größer werdende Auswahl an Therapien zur Verfügung. Und das ist wichtig, denn die Krebsform kann sich von Person zu Person sehr unterschiedlich zeigen – auch, was das Ansprechen auf eine Behandlung angeht. Nur mit einer Vielzahl an Therapiemöglichkeiten kann man daher den komplexen, genetischen Ursachen der Erkrankung gerecht werden. Nur diese Vielzahl führt zu mehr Behandlungserfolgen bei mehr Patienten. Und nur sie nährt die Hoffnung, den Krebs eines Tages chronifizieren oder gar heilen zu können.

Immer mehr Betroffene

Darauf hinzuarbeiten, ist nicht nur im Sinne des Patienten – sondern auch der Gesellschaft. Denn die Zahl der Patienten steigt weiter an. „Menschen ab 65 Jahren haben ein höheres Risiko an einem Multiplen Myelom zu erkranken. Und es leben jetzt so viele Senioren in der Welt wie noch nie zuvor“, erklärt Zaiac. „Die Krankheitslast wird weiter zunehmen.“ Im Jahr 2012 wurden laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast 39.000 Menschen in Europa neu diagnostiziert. Experten gehen davon aus, dass diese Zahl um fast ein Fünftel bis 2025 ansteigen wird.

„Über 40 Prozent der Patienten mit einem Multiplen Myelom können aufgrund ihrer Erkrankung nicht arbeiten, weitere 23 Prozent sind dazu gezwungen, frühzeitig in Rente zu gehen“, erklärt Zaiac. Hinzu kommen indirekte Produktionsverluste, die entstehen, wenn Angehörige die Erkrankten pflegen. „Über die letzten paar Jahrzehnte haben wir schon viel erreicht: Mit neuen und effektiven Therapien ist es gelungen, die Krankheitslast deutlich zu reduzieren“, so der Krebsforschungsspezialist.

Die Zukunft könnte Heilung bringen

Doch trotz des immensen Fortschritts bleibt noch viel zu tun. So liegt z.B. beim Brustkrebs die Fünf-Jahres-Überlebensrate mit etwa 90 Prozent noch um einiges höher. Und: „Wir können noch keinem einzigen Multiplen Myelom-Patienten eine Heilung garantieren“, so Zaiac. Der Bedarf an medizinischen Innovationen ist daher weiterhin groß.

„Mindestens 50 neue Therapieoptionen für das Multiple Myelom werden zurzeit in klinischen Studien erforscht. Das ist erheblich mehr als noch vor einem Jahrzehnt.“ Eine große Rolle spielen dabei vor allem Immuntherapien. „Wir wissen, dass das Immunsystem bei diesem Blutkrebs eine Rolle spielt und wir haben den Erfolg bestimmter Therapien gesehen, die auf das Immunsystem einwirken“, erzählt Zaiac. Geforscht werde nun unter anderem an sogenannten bispezifischen Antikörpern oder der CAR-T-Zelltherapie – beides Ansätze, die sich die Kraft des Immunsystems zunutze machen. Aber auch die Kombination bestehender Therapien und verschiedene Formen von Stammzelltransplantationen sind Teil von aufwändigen Studien.

Michael Zaiac ist Optimist. Er glaubt an die Kraft der Forschung: „Wir sind zuversichtlich, Patienten mit Multiplem Myelom eines Tages heilen oder ihnen ein Leben bis ins hohe Alter ermöglichen zu können.“

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: