"Transparenz zeigt Forschungsstärke" - zum dritten Mal haben Pharmaunternehmen die Leistungen an Ärzte veröffentlicht. Foto: © iStock.com/ijeab
"Transparenz zeigt Forschungsstärke" - zum dritten Mal haben Pharmaunternehmen die Leistungen an Ärzte veröffentlicht. Foto: © iStock.com/ijeab

Wenn Ethik auf Monetik trifft

Gesundheit hat kein Preisschild, ein Arzneimittel aber sehr wohl – denn pharmazeutische Unternehmen müssen große Summen in die Entwicklung neuer Wirkstoffe investieren. Ohne Gewinne geht das nicht. Gleichzeitig arbeiten die Firmen für das Wohlergehen der Menschen, also ein gesellschaftliches Ziel. Profit machen und Patienten helfen – wie geht das zusammen?

Arzneimittelforschung ist eine Art Generationenvertrag: das Medikament von heute finanziert die Arzneimittel von morgen. Innovationen müssen angemessen honoriert werden, damit dieser Kreislauf weitergehen kann. Wer medizinischen Fortschritt will, muss also auch über Geld reden. Pharmazeutischer Fortschritt und wirtschaftlicher Erfolg – das eine geht nicht ohne das andere. Geld verdienen mit der Krankheit von Menschen: Ist das ein Dilemma und wie ist dies zu bewerten – ethisch, gesellschaftlich und ökonomisch? Antworten von Professor Dr. Stefan Huster, Lehrstuhl für öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheitsrecht und Rechtsphilosophie an der Ruhr-Universität Bochum.

Ein Markt, der dem gesellschaftlichen Ziel Gesundheit dient, mit Anbietern, die Gewinn machen müssen. Was sind die Konfliktpotenziale, was die Chancen in diesem System?

Huster: Mit der Gesundheitsversorgung ist schon immer Geld verdient worden, und daran ist an sich auch nichts Unethisches. Die Chance dabei ist, dass auch in diesem Lebensbereich finanzielle Anreize zu besseren Leistungen führen. Davon profitieren dann die Patienten. Allerdings gibt es zwei denkbare Fehlsteuerungen. Zum einen dürfen die finanziellen Erwägungen die medizinischen Kriterien nicht verdrängen: Wenn nicht mehr Leistungen bezahlt werden, weil sie der Gesundheit dienen, sondern diese Leistungen nur noch erbracht werden, weil sie (gut) bezahlt werden, ist etwas schiefgegangen. Zum anderen muss man natürlich darauf achten, dass die Gesundheitsversorgung noch bezahlbar bleibt. In einem kollektiven Versorgungssystem müssen die Preise für medizinische Leistungen reguliert werden.

 

Welche Rolle spielen wirtschaftliche Anreize beim Generieren von Ideen und damit von Fortschritt?

Huster: Es wird niemand bestreiten, dass gerade für derartig riskante und langfristige Innovationen wie die Entwicklung eines neuen Arzneimittels wirtschaftliche Anreize eine erhebliche Rolle spielen. Das Problem in Deutschland besteht aber darin, dass unklar ist, wer hier die Verantwortung trägt: Die Politik hat die Preisfindung für Arzneimittel weitgehend an die Selbstverwaltung in der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben. Deren Organe sehen sich aber – verständlicherweise – nicht in der Rolle, Forschungs- und Industriepolitik zu betreiben, sondern wollen die Versorgung der Versicherten zu möglichst niedrigen Kosten sicherstellen. Die Innovationsverantwortung weist daher eine Leerstelle auf.

Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen will Kosten begrenzen und die medizinisch erforderliche Versorgung für alle sicherstellen. Pharmaunternehmen tragen das Risiko, wenn Neuentwicklungen scheitern oder Innovationen nicht anerkannt werden. Wie können diese Interessen ausgeglichen werden, um auch künftig Fortschritt zu ermöglichen?

Huster: Dass medizinische Leistungen und auch Arzneimittel anhand ihres Zusatznutzens vergütet werden, ist grundsätzlich richtig. Es gibt aber zahlreiche einzelne Punkte, in denen das Preisfindungssystem noch verbesserungsfähig ist. Am wichtigsten könnte dabei eine Harmonisierung von Arzneimittelzulassungs- und Kostenerstattungsrecht sein.

Dieses Interview erschien am 26.08.2017 im Rahmen einer zwölfseitigen Sonderbeilage in der Abonnenten-Auflage des FOCUS. Die gesamte Ausgabe mit dem Titel „Medizinische Grenzen überwinden – Fortschritt durch Forschung: So arbeitet die Pharmaindustrie“ finden Sie hier.

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