Ohne sie würde kein einziger mühsam entwickelter Wirkstoff zu den Patienten kommen: Denn erst die Galeniker bringen ihn in eine gebrauchsfertige Form. Foto: © iStock.com/WanjaJacob
Ohne sie würde kein einziger mühsam entwickelter Wirkstoff zu den Patienten kommen: Denn erst die Galeniker bringen ihn in eine gebrauchsfertige Form. Foto: © iStock.com/WanjaJacob

Die Debatte neu ausrichten (Teil 2)

Wenn es um die Preise ihrer Produkte geht, stehen forschende Pharmaunternehmen unter Beschuss. Aber eine einseitig kostenfokussierte Debatte ist innovationsfeindlich – sie trifft die Patienten von morgen. Deshalb muss sie dringend neu ausgerichtet werden. Auch, weil sie auf Basis falscher Zahlen und Annahmen geführt wird: Teil 2 der Geschichte.

Es fängt damit an, dass über Listenpreise diskutiert wird. Die aber bezahlt niemand. In Deutschland gibt es ein ganzes Repertoire von Instrumenten, um Arzneimittelpreise zu deckeln. Da ist z.B. der Herstellerzwangsrabatt auf jede abgegebene Packung (aktuell 7 %). Oder Rabattverträge, deren Inhalte meist geheim bleiben, aber die Krankenkassen um Milliardensummen entlasten. Weiter geht es mit Festbeträgen für einzelne Arzneimittelgruppen bis hin zu regionalen Quoten, mit denen geregelt wird, wie hoch der Anteil der Verschreibungen in einem bestimmten Wirkstoffbereich sein darf. Seit 2011 gilt außerdem das AMNOG – eine frühe Nutzenbewertung neu zugelassener Medikamente, an dessen Ende ein von den Krankenkassen und dem Unternehmer ausgehandelter Preis steht. Zudem werden die Kosten für viele Präparate auf Basis hochgerechneter standardisierter Jahrestherapiekosten diskutiert. Oft werden diese Therapien aber nicht ein Jahr durchgehend gegeben. In der Praxis führt das zu Kostenüberschätzungen von zum Teil 100 Prozent und mehr. 

Hinzu kommt: Wer über den Listenpreis diskutiert, spricht über einen Status quo in einem hochdynamischen Umfeld. Als ein Beispiel mag hier das Reizthema der Preise für Medikamente gegen Hepatitis C (HCV) dienen. Diese Dynamik ist einerseits wissenschaftlich und andererseits ökonomisch getrieben:

  • Der wissenschaftliche Fortschritt in diesem Bereich war schlicht atemberaubend. Noch 2011 wurden zwei neue Wirkstoffe zugelassen, die damals als Durchbruch galten und das Ergebnis jahrzehntelanger – und teurer – Forschung waren. Als im Jahr 2014 dann die neueste Generation der antiviralen Medikamente auf den Markt kam, war das für diese Medikamente das Aus – nur drei Jahre nach Markteinführung. Die meisten Unternehmen haben heute ihre Forschungsbemühungen eingestellt (und die Kosten abgeschrieben): Mit den heute verfügbaren Kombinationstherapien lässt sich die Krankheit weltweit eliminieren. Für forschende Pharmaunternehmen kann die Explosion des Wissens gleichzeitig Fluch und Segen sein: Segen, weil sie neue Chancen für neue Medikamente birgt; Fluch, weil sie nicht alleine sind, sondern in einem intensiven Wettbewerb stehen, der ein hohes wirtschaftliches Risiko darstellt.
  • Konkurrenz belebt das Geschäft – das gilt auch hier: Der Wettbewerb mehrerer Entwickler untereinander hat eine Spirale in Gang gesetzt, deren Ende noch nicht erreicht ist. In den USA fiel der Preis des Hepatitis C-Mittels Sovaldi, der Auslöser für diese Pharma-Erfolgsgeschichte, innerhalb von 18 Monaten nach Einführung um 40 bis 60 Prozent, schreibt der Mediziner Michael Rosenblatt, ein Wissenschaftler mit Harvard- und Industrie-Background. In Deutschland sind die Kombinationstherapien ebenfalls sehr schnell deutlich günstiger geworden – auch, weil sich Hersteller und Krankenkassen sehr früh auf Rabattverträge geeinigt haben. Die öffentlich diskutierten Kosten der neuen Therapien – es sollten dabei rund fünf Milliarden Euro pro Jahr zusammenkommen – waren auf jeden Fall ein Beispiel für ein „Best-of Fake-News“. Im Jahr 2017 war es rund ein Zehntel davon und die Ausgaben sinken, weil immer mehr Patienten geheilt sind. Die Zahlen stammen vom IGES-Institut.

Dies alles geschieht lange vor Patentablauf. Anders als bei vielen anderen Produkten kennt der Preis eines Arzneimittels in Deutschland ab Tag Eins eigentlich nur eine Richtung – er geht nach unten. Und das passiert, obwohl zu Beginn seines Lebenszyklus´ der gesamte Nutzen meist nicht erkannt wird. Das gilt natürlich in beide Richtungen, wie der Gesundheitsökonom Tomas J. Philipson feststellt: „Der klinische Nutzen neuer Arzneimittel und ihre Preise sind nicht statisch – sie verändern sich im Laufe der Zeit. Für ein Arzneimittel werden neue Indikationen entwickelt, was den Nutzen des Arzneimittels für die Gesellschaft erhöht, und manchmal kommen neue Erkenntnisse zu Nebenwirkungen auf, was den Nutzen verringert.“ Die meisten Annahmen über die Kosteneffektivität von Arzneimitteln basieren aber, so beklagt er, auf statischen Preisen und bilden nur einen Status quo ab, der sehr schnell veraltet sein kann. Wer den Preis eines Arzneimittels beurteilt, sollte deshalb eine langfristige Betrachtungsweise heranziehen, die den ganzen Lebenszyklus im Blick hat.

Fortsetzung folgt: Wer den Preis eines Arzneimittels beurteilt, muss sich eigentlich den gesamten Lebenszyklus eines Medikamentes ansehen. Teil 3 erscheint am 5.2.2018.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: