Unsere Gesellschaft wird immer älter. Das ist eine gute Nachricht – die mit großen Herausforderungen verbunden ist. Beispiel Krebs: Er tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf. Wenn der Anteil der Menschen aus älteren Generationen steigt, nimmt auch die Zahl der Neuerkrankungen zu. So erhielten vergangenes Jahr bei den 60- bis 69-Jährigen in Deutschland (2017: 10,1 Mio. Menschen) knapp 129.000 die Diagnose Krebs. „Im Jahr 2030 werden sich in dieser Altersgruppe bereits 12,4 Millionen Menschen befinden, was rechnerisch eine Anzahl von mehr als 161.000 Krebsneuerkrankten bedeutet“, heißt es in der Publikation „Bleiben Onkologika bezahlbar? Eine Bestandsaufnahme“ dazu. Das entspricht einem Anstieg von mehr als 25 Prozent.
Schon jetzt bedeutet Krebs nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Gesellschaft eine große Belastung. Etwa jeder Zweite wird im Laufe seines Lebens mit der Diagnose konfrontiert sein, jeder Vierte stirbt daran. Und auch wenn es sich um eine „Alterskrankheit“ handelt: Von manchen Tumorformen sind besonders auch jüngere Menschen betroffen. Das belastet nicht nur die Gesundheitssysteme, sondern auch die Volkswirtschaft. „Krebs ist in Deutschland […] die Hauptkrankheit, die zu verlorenen Lebensjahren im erwerbsfähigen Alter führt“ heißt es u.a. in der Bestandsaufnahme (in Bezug auf die vorzeitige Sterblichkeit: Tod unter 65 Jahren).
Systembedrohende Steigerungen der Arzneimittelausgaben?
Die forschenden Pharmaunternehmen haben es sich zum Ziel gesetzt, Krebs wirksam bekämpfen zu können. Die Entwicklungspipelines sind gut gefüllt mit potenziellen Wirkstoffkandidaten. Doch vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung, einer steigenden Zahl an Tumorerkrankungen und einer durch innovative Therapien möglicherweise zunehmenden Chronifizierung von Krebsleiden, lautet oftmals die Frage: Bleibt das Ganze bezahlbar?
Fakt ist: In Deutschland wird im Vergleich zu anderen Ländern relativ viel Geld für Gesundheit ausgegeben. Nur in den USA und in der Schweiz liegt der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) höher (Stand: 2016). Ein anderes Bild ergibt sich, betrachtet man die reinen Arzneimittelausgaben im Vergleich zum BIP: Neun Länder liegen hier über Deutschland: „Damit wird in Deutschland zwar verhältnismäßig viel Geld für Gesundheit insgesamt ausgegeben, jedoch liegen die Arzneimittelausgaben hierzulande im Durchschnitt. Das heißt, die Gesundheitsausgaben werden eher durch andere Leistungssektoren getrieben“, schreiben die Autoren der Bestandsaufnahme.
Kosten in Relation setzen
Trotzdem ist richtig: Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen – auch durch Onkologika. Wie sollte es angesichts des demografischen Wandels und Innovationen in der Arzneimitteltherapie anders sein? Dass eine „Kostenlawine“ dennoch nicht absehbar ist, zeigt sich, setzt man die Zahlen in Relation:
- 5,35 Milliarden Euro investierte die GKV 2016 in Krebsmedikamente: Das sind rund 13 Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben. Onkologika stellen laut IfG daher „einen vergleichsweise kleinen und damit beherrschbaren Kostenfaktor im deutschen Gesundheitssystem dar“.
- Die Ausgaben für Onkologika wachsen nicht überdimensional: So ist der Anstieg „über die Jahre gesehen nicht wesentlich größer als im gesamten Arzneimittelmarkt“, heißt es in der Publikation.
- Der Anteil der GKV-Ausgaben für Arzneimittel (2016: 1,34 %) bzw. für Krebsmedikamente (2016: 0,17 %) am BIP verläuft eher „flach“ (s. Grafik). „Damit wachsen die Ausgaben für Arzneimittel bzw. für Onkologika kaum stärker als die Wirtschaftskraft in Deutschland. In Relation zum Wirtschaftswachstum ist eher eine Ausgabenstagnation zu erkennen.“ Kostenexplosion sieht anders aus.
Ein Auf und Ab
Die Ausgaben der GKV für Arzneimittel sind von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig, die auf den Preis eines Medikaments und dessen in Anspruch genommene Menge wirken. So ist etwa zu Beginn der Preis einer Innovation mit Patentschutz noch relativ hoch; die Marktdurchdringung jedoch niedrig. Im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes durchläuft das Präparat ein Nutzenbewertungsverfahren, auf dessen Basis Kassen und Hersteller einen Preis verhandeln. „Damit wird auch im Bereich der Onkologika ein mögliches Ausgabenwachstum begrenzt“, so das IfG. Ein zunehmender Wettbewerb kann mit der Zeit zu sinkenden Preisen führen, wobei evtl. zunehmend mehr Menschen die jeweiligen Präparate nehmen; bis schließlich die Patente auslaufen und Platz machen für kostengünstigere Nachahmerprodukte – und weitere Innovationen.
Die Autoren der Bestandsaufnahme vertreten die Auffassung, dass sich die Ausgaben in der Arzneimitteltherapie in den einzelnen Indikationen versetzt und in langen „Konjunkturwellen“ entwickeln. Während sie „für die Onkologie derzeit moderat ansteigen, ist in anderen Bereichen trotz zunehmender Verordnungszahlen eine Stagnation und teils ein Rückgang der Ausgaben zu beobachten, beispielsweise bei Bluthochdruck- und Stoffwechselerkrankungen.“ Der Grund sind u.a. Patentabläufe. Deshalb „ist davon auszugehen, dass die Gesamtausgaben für Onkologika in den nächsten Jahren ihren Höhepunkt erreichen und dann in eine Abschwungphase übergehen werden“, erklären die Autoren. Sie fordern, die moderat wachsenden Ausgaben für Onkologika daher gelassen zu sehen – und ihren Nutzen für Patienten und Gesellschaft nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Nutzen moderner Krebsmedikamente
Und der ist groß: „Die altersstandardisierten Krebsmortalitätsraten sind in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich abnehmend, was einen Beleg für die erfolgreiche Krebsversorgung darstellt“, heißt es. Der Rückgang der Sterblichkeit betrifft laut der Bestandsaufnahme v.a. Menschen im erwerbsfähigen Alter. Geringere Nebenwirkungen, weniger Operationen oder Chemotherapien: „Eine Einbindung von Krebspatienten in das Arbeitsleben sowie in unbezahlte gesellschaftliche Aktivitäten […] ist dank moderner Therapien zunehmend besser möglich.“
Auch deshalb ist es gesellschaftlicher Konsens, dass eine wirksame, immer besser werdende Behandlung von Krebs eine hohe Priorität in Deutschland einnimmt. „Alle Krebspatienten sollen eine qualitativ hochwertige Versorgung, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Wohnort und Versichertenstatus erhalten“, heißt es etwa im Nationalen Krebsplan des Bundesministeriums für Gesundheit.