Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2004 wurde die Erstattung der OTC-Arzneimittel (over-the-counter) gestrichen. Mit der Folge, dass der Apothekenumsatz mit dieser Medikamentengruppe von 6,3 Milliarden Euro im Jahr 2003 einbrach. Heute liegt er stabil bei 4,4 Milliarden Euro. Immer mehr Krankenkassen entdecken die Erstattung der rezeptfreien Arzneimittel jedoch wieder für sich – um neue Versicherte zu werben. Die Erstattung von Homöopathika, Magnesium- und Folsäure-Präparaten in der Schwangerschaft oder von OTC für Jugendliche sind attraktive Zusatzleistungen. 2012 waren es 30 Kassen, die einzelne dieser Punkte im Katalog hatten. Im Oktober 2014 waren es bereits 62 der bundesweit 132 gesetzlichen Kassen.
Werbung oder Versichertenservice?
Als reine Werbemaßnahme wollen die Kassen das allerdings nicht sehen. „Wir versuchen einfach, für unsere Versicherten das Beste rauszuholen, was möglich ist“, sagt Thorben Weichgrebe, Marketingleiter der BKK Wirtschaft und Finanzen in Melsungen. „Wir nehmen diese Leistungen auf, weil wir den Bedarf bei den Versicherten sehen“, sagt auch Dennis Chytrek von der Pressestelle der Techniker Krankenkasse, Deutschlands größter Ersatzkasse. In der Tat werden diese Zusatzleistungen von den Kassen nicht offensiv beworben.
Freie Hand haben die Kassen bei der Erstattung von OTC-Präparaten jedoch nicht. „Die Erstattung der OTC-Präparate für Jugendliche von zwölf bis 18 Jahren wurde uns durch die Bundesversicherungsaufsicht untersagt“, sagt Weichgrebe. Das dürften – erstaunlicherweise – nur Kassen anbieten, die nicht bundesweit aktiv sind, lediglich die Kassen, die auf bis zu zwei Bundesländer beschränkt sind. „Dabei zählt gerade dieser Bereich zu den Leistungen, die zwar kaum abgerufen wurden, die aber für einzelne Familien sehr wertvoll sind.“
Erneuter Wegfall aus dem Leistungskatalog
In Anspruch genommen oder nicht: Ab 2015 werden OTC-Arzneimittel bei vielen Kassen wohl wieder aus dem Leistungskatalog fallen. „Ab Januar gilt wieder die Beitragssatzautonomie, dann wird die Höhe der Zusatzbeiträge im Vordergrund stehen“, erklärt Anja Klauke vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI). Mit der Absenkung des Beitragssatzes für die Gesetzliche Krankenversicherung von 15,5 auf 14,6 Prozent werden einige Kassen Zusatzbeiträge erheben müssen. „Um die gering zu halten, könnten Satzungsleistungen wie die Erstattung von OTC-Präparaten wieder aus dem Katalog fallen“, vermutet Klauke.
Die Frage ist, wie sehr das auffallen wird. „Die OTC-Erstattung hat nicht das Kostengewicht, das man vermuten würde. Wir hätten da mit viel mehr gerechnet“, sagt Weichgrebe. Eine gebremste Nachfrage allerdings bedeutet nicht, dass das Angebot schlecht ist. Insbesondere für die Erstattung von OTC-Präparaten für Jugendliche von zwölf bis 18 Jahren gibt es viele Fürsprecher. Einen entsprechenden Antrag hatte zum Beispiel der Apothekerverband Nordrhein auf dem Deutschen Apothekertag in München im September gestellt. Auch der BPI unterstützt diese Forderung: „Jugendliche verdienen erst ab 16 selbst, die meisten nicht vor dem 18. Lebensjahr. Durch die Erstattung wäre ihre Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln in der gesamten wichtigen Zeit des Wachstums gesichert“, sagt Klauke.