Schon ihre Namen lassen nichts Gutes erwarten: Wuchereria bancrofti oder Brugia malayi heißen die Fadenwürmer. Sie sind Parasiten, die sich im menschlichen Lymphgewebe einnisten, geradezu groteske Schwellungen an Armen, Beinen oder den Hoden verursachen und von Moskitos übertragen werden. Das brachte der Lymphatischen Filariose (LF) den hässlichen Namen Elefantiasis ein. Die Krankheit selbst ist uralt. Geht es nach der WHO, ist sie ab 2020 weitgehend Geschichte – ein Ziel, was wahrscheinlich nicht erreicht werden wird. Tatsache ist aber: Die Global Alliance to Eliminate Lymphatic Filariasis (GAELF) ist jetzt schon eine beeindruckende Erfolgsgeschichte: Über sieben Milliarden Behandlungen wurden seit Start des Programms an fast 900 Millionen Menschen verteilt. In elf Ländern gilt die LF als besiegt.
Die GAELF hat zwei Hauptziele: Sie will das Leiden der betroffenen Menschen lindern, die zwar nicht geheilt werden können, denen aber durch verschiedene Eingriffe und Behandlungen geholfen werden kann. Vor allem aber will sie die Krankheit eliminieren. Kern dieser Strategie sind so genannte Mass Drug Administrations (MDA) – die massenhafte Verabreichung von Medikamenten.
Im Fall der LF sind das beeindruckende Zahlen, die die dahinterliegende Logistik nur vermuten lassen: Rund eine halbe Milliarde Menschen wurden in Jahr 2017 mit Medikamenten versorgt – das entspricht rund 1,4 Millionen Menschen am Tag. Allein 24 Millionen Kinder im Vorschul- und 133 Millionen Kinder im Schulalter wurden versorgt. Die Zahlen gehen aus dem WHO-Bericht: „Global Programme to Eliminate Lymphatic Filariasis: Progress report“ hervor.
Grundlage des Programms: Spenden von vielen Milliarden an Tabletten
MDAs haben ein Ziel: durch eine präventive Chemotherapie, bestehend aus mindestens zwei, besser drei Tabletten, die mehrere Jahre hintereinander gegeben werden müssen, den Übertragungszyklus zu unterbrechen. Das funktioniert – zumindest dort, wo es gelingt, 65 Prozent oder mehr der Bevölkerung zu erreichen. Das Programm wird ständig angepasst und wissenschaftlich weiterentwickelt: Erst kürzlich hat man in einer klinischen Studie in Papua Neuguinea festgestellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Triple-Kombination aus Albendazole, Ivermectin und Diethylcarbamazin wirksamer ist als die bisher vor allem angewandte Doppeltherapie ohne Ivermectin. Nun hofft die WHO, dass das den Eliminierungsfahrplan beschleunigen kann – denn der Dreifachkombination gelingt es in kürzerer Zeit, die Mikrofilarien nachhaltig zu beseitigen. Die drei Wirkstoffe gehören zu der Klasse der Anthelminthika. So bezeichnet man Medikamente gegen Wurmerkrankungen.
Das Programm funktioniert, weil sich die Pharmaunternehmen – in diesem Fall GSK, MSD und Eisai – bereiterklärt haben, die benötigten Medikamente zu spenden. Und zwar so lange, bis die Krankheiten besiegt sind.
Aber der Erfolg der GAELF geht weit über die Bekämpfung der LF hinaus: Sozusagen im Windschatten dieser globalen Allianz entsteht eine bessere und effizientere Gesundheitsversorgung für Menschen in armen, tropischen Ländern. In manchen Regionen laufen verschiedene Programme parallel: Ivermectin z.B., dessen Erfinder im Jahr 2015 mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt wurde, wird gegen die Flussblindheit (Onchozerkose) eingesetzt. Rund 150 Millionen Menschen in den Gebieten Afrikas und Südamerikas konnten mit dem Antiwurmmittel bereits erreicht werden. Länder wie Guatemala, Mexiko, Ecuador und Kolumbien sind bereits offiziell frei von der Erkrankung. Das schafft in diesen Ländern Ressourcen, um sich anderen Gesundheitsproblemen zuwenden zu können.
2016: Eine Milliarde Menschen in Behandlung – 1,8 Milliarden Tabletten gespendet
Insgesamt fünf NTDs, die von der London Declaration on Neglected Tropical Diseases abgedeckt sind, können durch präventive Chemotherapien behandelt werden. Das sind neben der LF und der Flussblindheit:
- die Schistosomiasis (auch Bilharziose; die Medikamente spendet Merck KGaA)
- Darmwürmer, die über verseuchte Böden oder kontaminiertes Wasser übertragen werden (Helminthen; Unternehmen: GSK und Johnson & Johnson)
- und das Trachom, eine bakterielle Entzündung des Auges (Pfizer).
Die weiteren, von der Declaration abgedeckten Tropenkrankheiten, darunter die Chagas-Krankheit, die viszerale Leishmaniose oder die Guineawurm-Krankheit, sollen durch ein innovatives Management eingedämmt werden. Bei der letzteren ist man schon weit: In 30 Jahren konnte die Zahl der Erkrankungen von 3,5 Millionen auf 26 Fälle reduziert werden – also um mehr als 99,99 Prozent. Eliminiert werden soll außerdem die Afrikanische Schlafkrankheit (Trypanosomiasis). Vergangenen November empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA die erste rein orale Behandlung zur Zulassung. Es ist das Ergebnis jahrelanger Forschung verschiedener Institutionen, darunter ein Pharmaunternehmen (Sanofi).
Die Bekämpfung der NTDs ist jetzt schon die größte Intervention in die öffentliche Gesundheit in der Geschichte der Menschheit: Seit 2012 ist es 28 Ländern gelungen, eine der vernachlässigten Tropenkrankheiten zu eliminieren. Allein im Jahr 2016 konnten eine Milliarden Menschen behandelt werden – auch mit Hilfe der pharmazeutischen Industrie, die 1,8 Milliarden Tabletten gespendet hat.
Weiterführende Links:
Briefingdokument: unitingtocombatntds.org
http://www.who.int/topics/tropical_diseases/en/