Mit dem Digital Lab BI X setzt Boehringer Ingelheim auf die Chancen der Digitalisierung in der Forschung und direkt an der Schnittstelle zum Patienten. Mitbegründer Daniel Hach erklärt  was Patienten davon haben. Foto: BI X
Mit dem Digital Lab BI X setzt Boehringer Ingelheim auf die Chancen der Digitalisierung in der Forschung und direkt an der Schnittstelle zum Patienten. Mitbegründer Daniel Hach erklärt was Patienten davon haben. Foto: BI X

Digitalisierung: Der Zukunft einen Schubs geben

„Digitalisierung ist ein Werkzeug“: Seit 2017 gibt es beim forschenden Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim das Digital Lab BI X. Ziel des Labors ist es, die digitale Transformation voranzutreiben und die Chancen des Digitalen für die Forschung und Entwicklung auszuloten und zu nutzen. Mitbegründer, erster Mitarbeiter und Wirtschaftsinformatiker Daniel Hach spricht über Projekte und Innovationen – und was sie für die Gesundheit von Mensch und Tier bedeuten können. Am Standort in Ingelheim hat BI X etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bald kommt Shanghai dazu – mit weiteren 20 Kollegen.
Daniel Hach. Foto: BI X
Daniel Hach. Foto: BI X

Was kann man sich unter einem digitalen Labor vorstellen?

Daniel Hach: Für uns ist Digitalisierung ein Werkzeug, das uns ermöglicht Menschen und Tieren auf der ganzen Welt schneller und besser zu helfen. Dazu treiben wir im BI X gemeinsam mit den verschiedenen Geschäftsfeldern von Boehringer Ingelheim verschiedene Initiativen voran, die uns zu digitalen Produkten führen. Diese – es sind meist Software-Produkte – nutzen wir dann sowohl firmenintern als auch extern für den Patienten oder den Haustierbesitzer, um deren Leben und Arbeiten zu verbessern.

Haben Sie Beispiele?

Hach: Ein extern orientiertes Produkt zielt zum Beispiel auf den Haustierbesitzer ab. Ein sich bereits auf dem Markt befindliches Produkt ist PetPro Connect; im Grunde eine Plattform, die Haustierbesitzer und Veterinärmediziner miteinander vernetzt und ihnen die Möglichkeit gibt, Daten rund um den Patienten – in diesem Falle das Haustier – auszutauschen. Der Kunde hat die Möglichkeit auf Textbasis zu kommunizieren, oder auch Videokonsultation ganz einfach von zuhause aus zu machen. Und das alles ohne persönlich zum Tierarzt zu müssen. Gerade in der aktuellen Situation – Stichwort COVID-19 – ist das ein Thema und hat großen Zulauf. Es ist denkbar über diese Plattform noch viel mehr zu machen, wie z. B. Arzneimittel als Online-Vertrieb.

Eines unserer nach innen orientierten Produkte nutzen wir, um unsere Forscher und Entwickler in der frühen Pharmaforschung zu unterstützen. Hier bewegen wir uns im klassischen Pharmaprozess und überlegen, wie wir diesen mit Hilfe von digitalen Werkzeugen verbessern und beschleunigen können. Wir können dem Forscher erleichtern, die relevantesten Moleküle zu identifizieren, die es braucht, um eine bestimmte Krankheit zu adressieren. Das sind dann sehr oft sehr stark datengetriebene digitale Produkte, für die wir Software-Lösungen entwickeln, mit denen der Forscher interagieren kann, „eine Konversation führen“ kann, um das am besten geeignete Molekül in seinem Forschungsgebiet zu finden.

Das klingt wenig nach dem, was man bei einem Labor klassisch im Kopf hat, wie etwa Menschen in Laborkitteln…

Hach: Das stimmt. Wir setzen auf IT-Experten, die wir in funktionsübergreifenden Teams mit der Fachexpertise aus unseren verschiedenen Geschäftsbereichen kombinieren. Wir arbeiten als digitales Labor also nicht vollständig eigenständig, sondern von Anfang an sehr integriert. Das heißt: Wir haben immer einen so genannten „Product Owner“, also jemanden, der aus dem jeweiligen Geschäftsbereich kommt und verantwortlich ist – das kann ein Forscher und Entwickler sein oder jemand aus dem Vertrieb in der Tiergesundheit. Den vernetzen wir dann mit unseren IT-Experten wie z. B. Data-Scientists, Software-Entwicklern oder User-Experience-Designern und arbeiten im Team gemeinsam an einem Produkt.

So verhindern sie, dass sie Produkte entwickeln, die nachher niemand benutzen mag…

Zusammenarbeit: Die Bedürfnisse aller Beteiligten adressieren. Foto: BI X
Zusammenarbeit: Die Bedürfnisse aller Beteiligten adressieren. Foto: BI X

Hach: Richtig. Nur durch diese Zusammenarbeit können die Bedürfnisse aller Beteiligten von Anfang an adressiert werden. Es ist nicht unsere Intention die Forscher durch die IT-Experten zu ersetzen und das wird auch nicht die Zukunft sein. Es wird aber bald so sein, dass der Forscher, der Künstliche Intelligenzen nutzt, dem Forscher ohne KIs überlegen sein wird.

Sie machen also aus einem guten Forscher einen noch besseren Forscher …

Hach: Das kann man so sagen. Das digitale Labor ist ein Werkzeug, mit dem wir interne Prozesse, als auch unsere Interaktion mit Patienten beschleunigen und verbessern wollen.

Stichwort Künstliche Intelligenz: Spielt KI gerade für die Projekte, mit denen Sie Ihre Forschung „boostern“ wollen, eine wichtige Rolle?

Hach: Ja, absolut und das erwarten unsere Forscher auch. Denn wenn ein System ihnen Vorschläge macht, dann sollten sie auch eine gute Substanz haben und müssen tatsächlich intelligent sein. Ansonsten wären diese Vorschläge für den Forscher uninteressant und er bräuchte keine IT-Expertise. Die Künstliche Intelligenz ist extrem relevant.

Was haben die Menschen draußen von einer digitalen Transformation in der Forschung?

Hach: Unsere Hoffnung: Bessere und schnellere Entwicklung von Arzneimitteln und gesundheitsrelevanten Produkten. Und das zeigt sich auch schon an der einen oder anderen Stelle, wo unsere Prozesse schneller ablaufen, aber auch neue Ideen für Arzneimittel entstanden sind, die vorher so nicht da waren. Es eröffnet also auch neue Horizonte, die man vorher noch nicht gesehen hat.

Digitalisierung: Neue Horizonte, die man vorher noch nicht gesehen hat. Foto: BI X
Digitalisierung: Neue Horizonte, die man vorher noch nicht gesehen hat. Foto: BI X

Gibt es ein konkretes Projekt, an dem Sie momentan arbeiten oder gearbeitet haben?

Hach: Ein Beispiel: In einem Projekt ist es das Ziel, auf der Basis von Sprache dem Arzt bei einer deutlich früheren Diagnose von Demenz und Alzheimer unterstützen zu können. Sprache ist ein sehr guter Biomarker für neurodegenerative Krankheiten. Hierbei handelt es sich um einen Test auf einem iPad, in dem man beispielsweise Dinge beschreibt und vorliest. Anschließend kann die Testperson in Bezug auf die Sprache – was wird gesagt und wie wird gesprochen – analysiert werden. Die daraus erlangten Erkenntnisse zeigen dann, ob frühe Anzeichen von Alzheimer in der Sprache zu finden sind oder nicht.

Und das funktioniert?

Hach: Das funktioniert teilweise. Dieses Produkt ist noch in der Entwicklung; wir sind da früh im Prozess. Aber es zeigt jetzt schon: Es eröffnet Möglichkeiten, die sich erst mit dem Werkzeug der Digitalisierung ergeben und die man nun explorieren kann.

Die Entwicklung solcher Anwendungen gehen über die klassische Rolle eines forschenden Arzneimittelherstellers hinaus, der sich nur auf die Entwicklung medikamentöser Lösungen konzentriert, oder?

Hach: Richtig, es ist ein anderer Anspruch, eine Erweiterung des klassischen Pharmaprozesses. Wir merken, dass es unseren Patienten sehr wichtig ist, zusätzliche Services zu erhalten. Und wir merken, dass das ein sehr interessantes Feld für uns ist, um unsere Kunden und Patienten besser zu verstehen, mit ihnen direkter zu interagieren und neue Möglichkeiten zu bieten.

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