Warum müssen Pharmaunternehmen manchmal Verlustgeschäfte hinnehmen?
Dr. Martin Zentgraf: Die Firmen müssen das nicht hinnehmen, es gibt auch die Möglichkeit, die Zulassung zurückzugeben. Da stellt sich die Frage, ob andere Anbieter oder Alternativprodukte am Markt verfügbar sind. Es gibt für ein Unternehmen keinen juristischen Zwang, ein Medikament mit Verlusten weiter herzustellen. Allerdings sind sich die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst: Da spielen neben wirtschaftlichen Gründen auch moralisch-ethische Aspekte eine große Rolle.
Welche Faktoren entscheiden darüber, ob ein Medikament ein Verlustgeschäft wird?
Dr. Zentgraf: Durch das Preismoratorium, also die gesetzliche Preisbindung bis 2017, können Preissteigerungen bei Rohstoffen oder gestiegene Kosten im Produktionsprozess nicht weitergegeben werden. Das macht unternehmerisches Handeln sehr schwierig beziehungsweise fast unmöglich. Da müssen Hersteller bei Kostensteigerungen genau abwägen: Habe ich Möglichkeiten zur Querfinanzierung? Kann ich Verluste durch andere Produkte auffangen? Der wichtigste Grund, ein Präparat trotz Verlusten weiter zu produzieren, ist: Ich habe ein Alleinstellungsmerkmal am Markt, Ärzte und Patienten können nicht auf Alternativprodukte ausweichen.
Sind die Augentropfen Atropin der Saarbrücker Firma Ursapharm eine Ausnahme, oder kommen Verlustgeschäfte bei Medikamenten häufiger vor?
Dr. Zentgraf: Verlustgeschäfte gibt es auch bei Altoriginalen, also Medikamenten, die keinen Patentschutz mehr haben und für die es als Alternative keine Generika mit dem gleichen Wirkstoff gibt. Da waren die Bedingungen zur Herstellung von Generika von vornherein so unattraktiv, dass keine auf den Markt gekommen sind. Da sieht sich dann häufig das Pharmaunternehmen in der Pflicht, trotz Verlusten weiterhin das Präparat anzubieten.
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