Moralisch-ethische Aspekte spielen eine Rolle  wenn Arzneimittel trotz Verlustes weiterhin produziert und vertrieben werden. Dr. Martin Zentgraf im Interview. Foto: © BPI
Moralisch-ethische Aspekte spielen eine Rolle wenn Arzneimittel trotz Verlustes weiterhin produziert und vertrieben werden. Dr. Martin Zentgraf im Interview. Foto: © BPI

Zwischen moralischer Pflicht und roten Zahlen

Teure Innovationen, Blockbuster – wenn es um Arzneimittel geht, stehen häufig die Kosten und vermeintlichen Gewinne im Fokus. Dabei machen Generika mit ihren sehr geringen Gewinnspannen mehr als 80 Prozent der Verschreibungen aus. Und dann gibt es Arzneimittel, mit denen ihre Hersteller sogar Verluste machen. Weshalb das so ist, erläutert Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie (BPI), der viele von diesem Problem betroffenen Mittelständler repräsentiert.

Warum müssen Pharmaunternehmen manchmal Verlustgeschäfte hinnehmen?

Dr. Martin Zentgraf: Die Firmen müssen das nicht hinnehmen, es gibt auch die Möglichkeit, die Zulassung zurückzugeben. Da stellt sich die Frage, ob andere Anbieter oder Alternativprodukte am Markt verfügbar sind. Es gibt für ein Unternehmen keinen juristischen Zwang, ein Medikament mit Verlusten weiter herzustellen. Allerdings sind sich die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst: Da spielen neben wirtschaftlichen Gründen auch moralisch-ethische Aspekte eine große Rolle.

Welche Faktoren entscheiden darüber, ob ein Medikament ein Verlustgeschäft wird?

Dr. Zentgraf: Durch das Preismoratorium, also die gesetzliche Preisbindung bis 2017, können Preissteigerungen bei Rohstoffen oder gestiegene Kosten im Produktionsprozess nicht weitergegeben werden. Das macht unternehmerisches Handeln sehr schwierig beziehungsweise fast unmöglich. Da müssen Hersteller bei Kostensteigerungen genau abwägen: Habe ich Möglichkeiten zur Querfinanzierung? Kann ich Verluste durch andere Produkte auffangen? Der wichtigste Grund, ein Präparat trotz Verlusten weiter zu produzieren, ist: Ich habe ein Alleinstellungsmerkmal am Markt, Ärzte und Patienten können nicht auf Alternativprodukte ausweichen.

Sind die Augentropfen Atropin der Saarbrücker Firma Ursapharm eine Ausnahme, oder kommen Verlustgeschäfte bei Medikamenten häufiger vor?

Dr. Zentgraf: Verlustgeschäfte gibt es auch bei Altoriginalen, also Medikamenten, die keinen Patentschutz mehr haben und für die es als Alternative keine Generika mit dem gleichen Wirkstoff gibt. Da waren die Bedingungen zur Herstellung von Generika von vornherein so unattraktiv, dass keine auf den Markt gekommen sind. Da sieht sich dann häufig das Pharmaunternehmen in der Pflicht, trotz Verlusten weiterhin das Präparat anzubieten.

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