Bilanz – 156 Medikamente tragen den AMNOG-Stempel

In seiner letzten Sitzung vor dem Jahresende hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 17.12.2015 den Bewertungsbeschluss zweier Krebsmedikamente veröffentlicht. Damit steht nach fünf Jahren AMNOG die Bilanz fest: Insgesamt 156 Verfahren wurden abgeschlossen.

 

2015 war das bisher arbeitsreichste Jahr im Zeichen des AMNOG: 53 Arzneimittel wurden abschließend bewertet – im ersten Jahr (2011) konnten gerade mal zwei Verfahren abgeschlossen werden. Im Schnitt schaffen die AMNOG-Macher seit Inkrafttreten des Gesetzes 31 Medikamente pro Jahr. Weitere 30 Verfahren hat der G-BA in der Pipeline: Sie wurden entweder begonnen (19), sind bereits im Stellungnahmeverfahren (2) oder aber die Beschlussfassung wird gerade vorbereitet (9). Zieht man die Verfahren hinzu, die eingestellt oder freigestellt wurden, wurden insgesamt 201 Bewertungen angeschoben. Die Statistik hat der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, BPI, erstellt.

Über 200 Verfahren: Ziel erreicht?

Soweit die nackten Zahlen. Sie zeigen, dass die AMNOG-Maschinerie erst langsam an Fahrt gewinnen musste. Das ist kein Wunder: Denn das Gesetz ist ohne Präzedenz, Strukturen mussten ganz neu aufgebaut werden. Was aber diese Fakten nicht erklären: Erfüllt das AMNOG erfolgreich seinen gesetzlichen Auftrag? Schafft es einen Rahmen, in dem Arzneimittelinnovationen als solche erkannt und anerkannt werden, die Patienten mit den besten Medikamenten versorgt und die forschende Industrie wirtschaftlich operieren kann?

 

Um das zu beantworten, muss man sich die Bewertungen im Einzelnen anschauen: Etwas über die Hälfte oder 56,41 Prozent der Verfahren gingen mit einem irgendwie gearteten Zusatznutzen aus dem Rennen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Fast 44 Prozent der eingereichten Dossiers enden mit einem negativen Bescheid. Warum das wenig über den tatsächlichen Zusatznutzen aussagt, erklärte Gesundheitsökonom Dieter Cassel gegenüber Pharma Fakten: „Bislang sind 90 Prozent der Wirkstoffe, denen der G-BA keinen Zusatznutzen testiert hat, gar nicht erst bewertet worden; sie sind vielmehr wegen formaler Mängel – wie fehlende Dossiers oder Daten, abweichende Vergleichstherapien oder unvollständige Nachweise – so kategorisiert worden.“

 

Der nicht attestierte Zusatznutzen basiert also auf einer Nicht-Prüfung. Deshalb bleibt die Frage: Sind hier Medikamente ohne Zusatznutzen als solche entlarvt worden? Oder wird Medikamenten fälschlicherweise kein Zusatznutzen zugewiesen – mit allen Konsequenzen im Hinblick auf Patientenversorgung und der Finanzierbarkeit von Entwicklungskosten?

AMNOG-Bilanz: 156 Verfahren, 332 Patientengruppen, 46,3 Millionen Patienten

Aber auch das ist nur ein Teil der Bilanz. Weil insbesondere das IQWiG einen Narren an Teilpopulationen gefressen hat, verstecken sich hinter den 156 von den pharmazeutischen Unternehmern eingereichten Dossiers exakt 332 Patientengruppen. Dieses Slicing aber verändert die Fünfjahres-Bilanz noch einmal entscheidend: Nun sind es nicht mehr 44, sondern fast 60 Prozent, für die das Verdikt „Kein Zusatznutzen“ gilt.

Aber es wird nicht besser: Hinter diesen Patientengruppen verbergen sich konkrete Patientenzahlen – und hier zeigt sich, dass von den 46,3 Millionen potenziellen Patienten, die sich aus den 156 AMNOG-Verfahren und ihren Medikamenten ergeben, 78 Prozent von ihnen kein Zusatznutzen bescheinigt wird.

Das AMNOG, so beklagen deshalb Unternehmen und ihre Verbände, sei längst zu einem Innovationsverhinderer geworden. Geht das so weiter, so Prof. Cassel, würde sich das AMNOG als Verordnungshürde etablieren: „Die Hersteller hätten allenfalls entgangene Erlöse zu verkraften, aber die Patienten litten unter vermeidbaren Schäden in Form geringerer Lebensqualität, leidvoller Krankheit oder vorzeitigem Tod. Doch wer will das riskieren?“

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