Hennrich kündigt AMNOG-Reformen an

Die CDU will das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) verändern. Das ließ der Gesundheitspolitiker Michael Hennrich, Mitglied des Gesundheitsausschusses, beim Symposion des Vereins Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) beim AOK-Bundesverband am Freitag in Berlin durchblicken. Zum Thema „Arzneimittelinnovationen – Versorgung, Diffusion und Finanzierbarkeit intelligent lösen“ tauschten sich Gesundheitsexperten aus Forschung, Wirtschaft und Politik kontrovers aus. Die künftige Ausgestaltung des AMNOG war letztlich Kern der Debatten.

Mit dem Titel waren die unterschiedlichen Pole des Symposions klar umrissen: Fortschrittliche Arzneimittel sind wichtig für Patienten und müssen bei ihnen ankommen – darüber herrschte noch weitestgehend Einigkeit. Gleichzeitig stellen sich jedoch Fragen zur Finanzierung – ein größer werdender Bedarf an medikamentöser Behandlung ist unter anderem durch die Altersstruktur der deutschen Bevölkerung absehbar. Was sich deswegen am lernenden System AMNOG ändern müsste – darüber gingen die Meinungen teilweise deutlich auseinander.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, sprach über aktuelle politischen Entwicklungen. Er kündigte baldige Nachjustierungen am AMNOG an. Zwar habe sich das System mit der Nutzenbewertung für Medikamente bewährt, jedoch gebe es Unzufriedenheit und Unsicherheiten gerade bei Arzneimitteln gegen chronische Krankheiten. „Im Bereich Diabetes und Epilepsie ist es nicht ganz einfach, einen Zusatznutzen zu belegen“, sagte der Gesundheitspolitiker. Nach dem Pharma-Dialog im Frühjahr ist laut Hennrich mit Neuerungen zu rechnen.

Patientenbeteiligung bei innovativen Arzneimitteln?

Eine mögliche Weiterentwicklung des AMNOG skizzierte der Gesundheitsökonom Prof. Reiner Leidl vom Helmholtz-Zentrum München. Er bemängelte, dass bei den unterschiedlichen Preisbildungsverfahren in Europa bislang kein analoger Vergleich gezogen werden könne. „Hier besteht deutlicher Forschungsbedarf“, sagte Prof. Leidl. Der Hochschulprofessor der Ludwig-Maximilians-Universität in München beschrieb Überlegungen, wonach eine stärkere Beteiligung von Patienten, die innovative Medikamente nutzen, denkbar sei. Zum anderen gebe es die Möglichkeit, dass Hersteller und Patienten das Risiko bei unzureichender Evidenz trügen. Gleichzeitig sprach er sich für eine stärkere Verbindung von Zulassungs- und Erstattungsverfahren aus. Außerdem müsse es zu einer Harmonisierung von Evidenzgrundlagen in Europa kommen.

 

„Das AMNOG verfolgt einen sinnvollen Ansatz“, betonte Prof. Volker Ulrich von der Universität Bayreuth. Grundsätzlich gelte „Money for Value“. Der GRPG-Präsident schränkte jedoch ein, es gehe längst nicht mehr um das „Ob“, sondern das „Wie“. „Bei der Nutzenbewertung wird zu sehr darauf geschaut, was es kostet“, kritisierte der Gesundheitsökonom. Der Wissenschaftler bemängelte bei der praktischen Auslegung des AMNOG den „generischen Preisanker“. Im AMNOG-Verfahren werden neue Medikamente mitunter mit niedrigpreisigen Generika verglichen. Deren Preisniveau wird auch für die Bestimmung von Erstattungsbeträgen für neu entwickelte Präparate herangezogen. „Cent-Beträge sind bei Innovationen nicht angemessen“, so Prof. Ulrich.

Schneller Zugang zu Medikamenten hilft Patienten enorm

Welche Bedeutung der schnelle Zugang zu fortschrittlichen Arzneimitteln – wie es zurzeit in Deutschland möglich ist – für Patienten haben kann, schilderte Prof. Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover. Er behandelt Patienten mit einer Hepatitis-C-Infektion. Dafür gibt es seit rund zwei Jahren hochwirksame Medikamente, die hohe Heilungschancen von bis zu 99 Prozent bewirken. „Der große Vorteil ist, dass Patienten überleben konnten, weil die Medikamente für sie früh verfügbar waren“, sagte der Hepatologe. Dennoch ist die Therapie wegen ihres Preises umstritten. Manche Ärzte, so Prof. Wedemeyer, hätten sie aus Angst vor Regressforderungen der Kassen nicht verschrieben. Er sprach sich dafür aus, die Effektivität der Behandlung zu messen. Etwa mit einem deutschen Hepatitis-C-Register, um Daten nach dem AMNOG-Verfahren zu gewinnen. „Bislang fehlt aber die politische Unterstützung dafür.“

Prof. Ludwig fordert befristete Nutzenbewertung für Onkologie-Medikamente

Dem Onkologen Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, gehen die bisherigen Maßnahmen zur Regulierung des Arzneimittelmarktes nicht weit genug. Er machte sich unter anderem bei Krebsmedikamenten für eine Befristung der Nutzenbewertung stark. Angesichts einer „Kostenexplosion in der Onkologie“, ist laut Prof. Ludwig „eine Kosten-Nutzen-Bewertung unumgänglich“.

Durch das AMNOG komme es bereits zu einer beträchtlichen Kostendämpfung, bilanzierte Dr. Markus Frick, Geschäftsführer Markt und Erstattung beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). „Niedrige Listenpreise bleiben nicht ohne Folgen“, sagte Frick. Auch für ihn ist der „generische Preisanker“ im AMNOG-Verfahren problematisch. „Im Grunde ist das eine implizite Forderung, in diesen Forschungsbereich nicht mehr reinzugehen“, erklärte er. Das seien keine guten Anreize.

Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband, blickte in ihrem Beitrag vor allem auf die Kostenentwicklung der Arzneimittel und kritisierte unter anderem die Zunahme beschleunigter Zulassungsverfahren. In diesem Zusammenhang stellte Richard die Überlegung an, schneller zugelassene Arzneimittel mit Risikoabschlägen beim Erstattungspreis zu versehen. „Müsste man dies nicht auch am Preis sehen?“, fragte sie. Mit diesem Vorschlag stieß die Kassen-Vertreterin jedoch auf Unverständnis. Weitere Hürden und Unwägbarkeiten bei der Markteinführung von Medikamenten könnten sich nach Ansicht von Ökonomen negativ auf die Forschungsbemühungen der pharmazeutischen Industrie auswirken.

Wie der Medizin-Ethiker und Moderator des Symposions, Prof. Georg Marckmann, anfangs angemerkt hatte, gab es letztlich keine abschließenden Antworten. Die Ideen zur Änderung oder Erweiterung des AMNOG liegen auf dem Tisch. Deutlichere Neuerungen, das ließ der Politiker Hennrich auch noch verlauten, sind frühestens nach der Bundestagswahl 2017 zu erwarten.

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