Als unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) fühlt sich Josef Hecken offenbar verschaukelt. Mit beißender Kritik kommentierte er die aktuelle Praxis der Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und den Pharmaunternehmen. Das Verfahren könne man sich sparen und stattdessen eine Lostrommel zur Ermittlung eines Preises verwenden, erklärte Hecken bei einer Veranstaltung von RS Medical Consult in Berlin, wie die Ärzte Zeitung berichtete. Grund seines Zorns: Der seitens des GBA anerkannte Zusatznutzen spielt beim erzielten Verhandlungsergebnis offenbar kaum eine Rolle.
G-BA-Beurteilung spielte keine Rolle
Nach Angaben des G-BA betrügen die bei den Preisverhandlungen erzielten Abschläge zwischen 17 und 35 Prozent gegenüber dem Einstandspreis. Von diesen Nachlässen seien jedoch alle Arzneien gleichermaßen betroffen, monierte der G-BA-Chef. Die Einstufung, welcher Zusatznutzen vorliege, habe überhaupt keine Auswirkung. „Ich habe gedacht, dass wer mit einem beträchtlichen Zusatznutzen bei mir aus der Hütte geht, am Ende einen geringeren Abschlag hat, als der, der überhaupt keinen Zusatznutzen hat“, sagte Hecken gegenüber der Ärzte Zeitung und stellte die zurzeit gängige Praxis in Frage. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Jens Spahn hatte vor kurzem die Folgen der zurzeit gängigen Nutzenbewertung kritisiert.
Man solle intensiv darüber nachdenken, ob die zentralen Preisverhandlungen das richtige Vorgehen seien. Der GB-A-Vorsitzende hält vielmehr dezentrale Verhandlungen mit unterschiedlichen Krankenkassen für sinnvoll. Auch, dass die Koalition plane, künftig einen Vertreter der Einzelkassen zu den zentralen Preisverhandlungen hinzuzuziehen, sieht Hecken nicht als Lösung. Der könne sich freundlich anhören, was da passiere, spottete er.
Schwierigkeiten bei Vergleichsstudien
Während Hecken deutliche Defizite bei der gängigen Praxis der Preisverhandlungen sieht, kritisierte der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Karl Broich die starre Struktur des AMNOG-Verfahrens. Dies könne dazu führen, dass Patienten im schlimmsten Fall ein als wirksam erwiesenes Mittel nicht erhalten könnten, sagte der Mediziner dem Deutschen Ärzteblatt.
Knackpunkt seien hierbei die unterschiedlichen Auffassungen über die fürs AMNOG-Verfahren erforderlichen Vergleichstherapien. In einem Fall habe dies beim Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG) dazu geführt, dass einem Medikament gegen Multiple Sklerose aus formalen Gründen kein Zusatznutzen attestiert wurde. Dabei war die Wirksamkeit für eine kleinere Zielgruppe durchaus vorhanden. Broich sagte gegenüber dem Ärzteblatt: „Die Sensibilität für das Zusammenspiel zwischen Zulassung und Sozialrecht fehlte.“ Um den Zwist bei den Vergleichstherapien möglichst rechtzeitig beilegen zu können, regte er eine frühe Beratung der Pharmaunternehmen durch das BfArM und den G-BA an. Doch dem verschließe sich der G-BA, erklärte Broich.