Es braucht kreative und unbürokratische Lösungen im Kampf gegen Hepatitis C und andere sexuell übertragbare Krankheiten – es bleibt viel zu tun. Foto: ©iStock.com/Rowr
Es braucht kreative und unbürokratische Lösungen im Kampf gegen Hepatitis C und andere sexuell übertragbare Krankheiten – es bleibt viel zu tun. Foto: ©iStock.com/Rowr

Wie Hepatitis eliminiert werden könnte

Mehr Prävention, bessere Früherkennung, schnelle, wirksame Therapie für möglichst alle Infizierten: Die Bundesregierung verfolgt seit 2016 die „BIS 2030“-Strategie zur Eindämmung von Hepatitis B und C sowie von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Insbesondere bei Hepatitis C ist noch viel zu tun, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen – obwohl es schon heute wirksame Therapien gibt.

„Hepatitis kann nicht warten!“ So lautet der Slogan zum Welt-Hepatitis-Tag am 28. Juli. Zwar gibt es Impfungen gegen Hepatitis A und B, und Hepatitis C (HCV) lässt sich gut und wirksam behandeln. Aber: „Nur rund 37 Prozent der Betroffenen wissen von ihrer Infektion. In Therapie sind, je nach Schätzung, zwischen 14 Prozent und 47 Prozent der Hepatitis-C-Infizierten“. Diese Zahlen präsentierte Prof. Dr. Bertram Häussler vom IGES-Institut, einem unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastruktur und Gesundheit, im Juni auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit. Damit ist klar: Es ist noch ein weiter Weg, um in den kommenden 8 Jahren tatsächlich die 3 großen HCV-Ziele zu erreichen:

Hepatitis-C-Virus
Hepatitis-C in Deutschland: rund 190.000 Infizierte. Foto: ©iStock.com/Dr_Microbe
  • Senkung der Neuinfektionen auf Null
  • Keine HCV-Todesfälle mehr
  • Möglichst vollständige Eliminierung von HCV durch Behandlungen

„Man kann das Virus aus den Zellen der Betroffenen vertreiben“, erklärte Häussler, räumte aber zugleich ein: „Derzeit liegt die HCV-Inzidenz in Deutschland stabil bei rund 6.000 neuen Erkrankungsfällen pro Jahr.“ Insgesamt gibt es rund 190.000 Menschen in Deutschland, die sich mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert haben; weltweit sind es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 58 Millionen Menschen. Viele von ihnen wissen nichts von ihrer Erkrankung. Das Tückische: HCV kann schwere Leberentzündungen auslösen, die anfangs noch mehr oder minder symptomfrei verlaufen, die aber tödlich enden können.

Fünf-Punkte-Plan gegen HCV

Häussler zeigte sich zuversichtlich, dass auch bei HCV bis 2030 noch erreicht werden kann, was bei HIV bereits geschafft ist: „Hier kennen 90 Prozent der Betroffenen ihre Infektion, davon sind 96 Prozent in Behandlung und 96 Prozent der Behandelten sind virusfrei.“ Damit sind zumindest in Deutschland die 90-90-90 Ziele für HIV erreicht. In Sachen HCV präsentierte Häussler einen Fünf-Punkte-Plan, mit dem es in den kommenden Jahren gelingen könnte, das Hepatitis-C-Virus weitgehend zu eliminieren:

Fünf-Punkte-Plan gegen HCV
Mehr Screening bei Hepatitis: Insbesondere bei Menschen mit erhöhtem Risiko. Foto: ©iStock.com/vchal
  • Mehr Screening – hier seien auch die Erfahrungen nützlich, die während der Corona-Pandemie gesammelt wurden
  • Prävention ausweiten
  • Vorbeugung, Therapie, Entstigmatisierung
  • Elimination gezielt in Gefängnissen
  • Datenlage verbessern

Klingt gut, doch wie sieht es mit der konkreten Umsetzung aus? Beispiel Screening: „Hier müssten sich die Gesundheitsminister der Länder auf ein einheitliches Testsystem einigen“, forderte Nicole Stelzner, Mitglied der Geschäftsleitung bei Gilead Sciences. Solche Tests könnten insbesondere dort gemacht werden, wo sich viele Menschen mit erhöhtem HCV-Risiko aufhalten, etwa in Gefängnissen oder in Einrichtungen für Geflüchtete. Stelzner berichtete von einem Screening-Projekt, das ihr Unternehmen derzeit in einer Haftanstalt in Bremen umsetzt. Dort können sich die Inhaftierten auf Hepatitis-Infektionen testen lassen. „Das ist vielleicht ein Modell, das man ausbauen kann“, so Stelzner. 

„Checkpoint Berlin“ als Modellprojekt

Klar ist: Es müssen neue, kreative und unbürokratische Wege gefunden werden, um HCV-Infizierte tatsächlich zu erreichen. Zwar gehört ein Hepatitis-Test inzwischen zum Vorsorge-Angebot des Check-up 35 – aber viele Infizierte fallen durchs Raster, weil sie keine Hausarzt-Praxen aufsuchen. Sinnvoller scheinen da Projekte wie der „Checkpoint Berlin“. Dessen medizinischer Direktor Dr. Christoph Weber sagt: „Der Checkpoint ist ein niedrigschwelliges Präventionsangebot mit Tests und Beratungen für HCV, HIV und weitere sexuell übertragbare Krankheiten.“ Genutzt wird dieses Angebot nicht zuletzt von Menschen, die Drogen gebrauchen oder obdachlos sind. Im Checkpoint sind nach Webers Aussagen auch medizinische Behandlungen möglich, allerdings gebe es dabei ein Problem: „In Deutschland gibt es keine Möglichkeit, Nichtversicherte in Therapie zu bringen. Das ist ein Skandal.“ In anderen vergleichbaren Ländern gebe es eine medizinische Versorgung auch für Nichtversicherte, nur in Deutschland nicht. Hier müsse sich dringend etwas ändern. Unabhängig davon ist Weber jedoch überzeugt: „Unser Angebot könnte ein Modell für weitere Checkpoints in anderen Städten sein.“

Stop Hepatitis: Am 28. Juli ist Welt-Hepatitis-Tag
Am 28. Juli ist Welt-Hepatitis-Tag. Foto: ©iStock.com/Rowr

Zu den fehlenden Therapiemöglichkeiten für Nichtversicherte erklärte Nicole Stelzner: „Wir helfen, wann immer wir das können. Ein Problem ist jedoch, dass bei uns in Deutschland keine Medikamentenspenden im Inland erlaubt sind.“ Diana Stöcker, Gesundheitsexpertin der CDU im Bundestag, erklärte dazu: „Das ist ein wichtiger Punkt, den müssen wir angehen.“ Ebenso wichtig ist nach ihrer Überzeugung auch die Kommunen in die BIS-2030-Strategie einzubinden. „Wenn Sie das nicht machen, kriegen Sie es nicht an die Basis. Das gilt gerade für Kleinstädte, die keinen Checkpoint haben.“

Moderator Helmut Laschet regte an, doch mal eine parlamentarische Anfrage zum Stand des Projektes „BIS 2030“ zu stellen. Stöckers Antwort: „Wir sind als Opposition gerne bereit, diese Anfrage zu stellen.“

Weitere News

Bis zum Jahr 2030 soll Hepatitis C ausgerottet sein – weshalb der Weg dorthin noch weit sein könnte  erklärt der Leberspezialist Prof. Wolf Peter Hofmann im Interview. Foto: ©iStock.com/Rasi Bhadramani

Hepatitis C: „Wir brauchen einen Aktionsplan“

Wenn es nach dem Willen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht, wird Hepatitis C schon in acht Jahren ausgerottet sein. In Deutschland stehen die Chancen dafür allerdings nicht sonderlich gut, wie führende Magen-Darm-Ärzte in einer Mitteilung anmerkten. Zwar seien inzwischen erste wichtige Schritte erfolgt, aber es müsse noch mehr getan werden, um Hepatitis C (HCV) auch hierzulande auszurotten. Was genau das ist und wie erfolgversprechend moderne Hepatitis-C-Therapien sind, darüber haben wir mit Prof. Wolf Peter Hofmann gesprochen, Sprecher der Fachgruppe Hepatologie im Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen.

Weiterlesen »

Hepatitis C seit 2014 heilbar: Eine Revolution mit Folgen

Bis vor wenigen Jahren war eine Infektion mit dem Hepatitis C-Virus (HCV), das die Leber angreift, einer der häufigsten Gründe für eine Transplantation des Organs. „Die Erkrankung kann inzwischen jedoch bei fast allen Patienten in kurzer Zeit geheilt werden“, betont die Deutsche Leberstiftung. Diese Revolution hat Folgen, die weit über die einzelnen Betroffenen hinausgehen. Das zeigt eine Auswertung von Daten aus elf Transplantationszentren in der Bundesrepublik.

Weiterlesen »
Es sind noch neun Jahre: Bis dahin sollen HIV und Hepatitis C nachhaltig bekämpft sein. Wo stehen wir damit in Deutschland? Eine Bestandsaufnahme. Foto: ©iStock.com/dusanpetkovic

HIV und HCV: Einfach mal ausrotten?

Die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben das Ziel ausgegeben, bis 2030 die Ausbreitung von HIV und Hepatitis C (HCV) nachhaltig zu bekämpfen und die Behandlung der betroffenen Menschen zu verbessern. Wo stehen wir damit in Deutschland? Das IGES-Institut hat eine Bestandsaufnahme angefertigt.

Weiterlesen »

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: