Arzneimittelresistenzen (antimikrobielle Resistenzen, AMR) sind ein natürlicher Prozess, der auftritt, wenn sich Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten auf eine Weise verändern, die die Behandlung mit bestimmten Medikamenten unwirksam macht. Dieser Prozess wird dann beschleunigt, wenn Medikamente z.B. falsch eingesetzt oder zu oft gebraucht werden. Etwa bei Antibiotika: Je häufiger sie zum Einsatz kommen, desto eher können Resistenzen entstehen und sich ausbreiten. Die Gefahr: Bisher wirksame Arzneimittel verlieren ihren Nutzen – das kostet schlimmstenfalls Leben.
Krebsbetroffene, Patient:innen mit Morbus Crohn oder auch mit Lebererkrankungen: Das Problem von Arzneimittelresistenzen betrifft Menschen mit ganz unterschiedlichen Leiden. Ein Beispiel: Krebskranke, die in Behandlung sind, haben oft ein geschwächtes Immunsystem. Für sie sind wirksame Antibiotika besonders wichtig, denn sie haben ein erhöhtes Risiko, an Infektionskrankheiten zu erkranken.
Ähnliches gilt bei COVID-19: Daten aus China aus März 2020 deuten darauf hin, dass einer von sieben mit COVID-19 ins Krankenhaus eingelieferten Menschen eine sekundäre bakterielle Infektion durch die Beatmung oder ein geschwächtes Immunsystem erwirbt. Viele Patient:innen erhalten daher Antibiotika. Welchen Einfluss das auf zukünftige Resistenzraten haben wird, ist noch unklar, sagt der Pharmaverband PhRMA.
Pharmaforschung: Hindernisse im Kampf gegen AMR
Laut PhRMA sind aktuell fast 90 Medikamente im Kampf gegen verschiedene resistente Krankheitserreger in Entwicklung (s. Grafik). 2017 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals eine Liste an Bakterien, für die dringend neue Antibiotika benötigt werden. Als besonders gefährlich wird z.B. das Bakterium Acinetobacter eingestuft, das eine häufige Ursache für im Krankenhaus erworbene Infektionen ist und zunehmend resistent gegenüber verfügbaren Arzneimitteln wird. Wie aus dem aktuellen PhRMA-Bericht hervorgeht, sind hierfür vierzehn Medikamente in der klinischen Prüfung.
Tatsache ist: Die Entwicklung neuer antimikrobieller Arzneimittel kann zwischen zehn und 20,5 Jahren dauern. Vor allem die Antibiotika-Forschung hat es in sich: Hier wird von den Wirkstoffen, die sich in der präklinischen Entwicklung befinden, nur einer von 15 letztendlich zugelassen und erreicht die Patienten, so PhRMA. Diese Rate ist noch niedriger bei Substanzen, die eine gänzlich neue Antibiotikaklasse repräsentieren.
Hinzu kommt: Die Entwicklung neuer Antibiotika ist häufig ein Verlustgeschäft. Caroline Schweizer, Medical Advisor im Bereich Antiinfektiva bei Pfizer, erklärte dazu in einem Interview (s. Pharma Fakten): „Die Tagestherapiekosten für ein Krankenhausantibiotikum, das keinen Patentschutz mehr hat, sind sehr niedrig, liegen zum Teil sogar im einstelligen Bereich. Zudem sollen neue Antibiotika, die auch bei multiresistenten Erregern noch wirksam sind, ja möglichst selten eingesetzt werden, damit sie lange als Therapieoption erhalten bleiben.“ Sie betont außerdem: „Es geht also nicht nur darum, neue Substanzen zu entwickeln, sondern auch darum, Unterstützungsmodelle für kleinere Biotech-Startups zu finden sowie allgemein Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Entwicklung neuer Antiinfektiva wieder attraktiv machen.“