COVID-19-Welle in Deutschland: Getrieben durch fehlenden Impfschutz?

Ein Team deutscher Wissenschaftler:innen hat auf Basis eines mathematischen Ansteckungsmodells berechnet, inwiefern Menschen mit bzw. ohne Impfschutz zur Verbreitung von COVID-19 beitragen. Demnach ist bei acht bis neun von zehn Ansteckungen mindestens eine ungeimpfte Person beteiligt. Aber auch nachlassender Impfschutz spielt eine Rolle im Infektionsgeschehen.

Für die Modellrechnungen haben die Wissenschaftler:innen im ersten Schritt einen Impfschutz vor Ansteckung von 72 Prozent bei Erwachsenen und 92 Prozent bei Kindern und Jugendlichen angenommen – es ist eine „optimistische Schätzung“, die „als mögliche Obergrenze“ dient. In diesem Fall kommen 91 von 100 Neuinfektionen durch Beteiligung mindestens einer ungeimpften Person zustande: entweder stecken Ungeimpfte andere Ungeimpfte an (51 %) oder es kommt zu Übertragungen von Ungeimpften zu Geimpften (25 %) bzw. andersherum (15 %). In anderen Worten: Unter 100 Ansteckungen sind nur neun Geimpfte, die von Geimpften infiziert wurden.

„Um zu verstehen, ob neue Ansteckungen auch durch fehlenden Impfschutz getrieben werden, wenn die Impfung nur eine geringe Effektivität hat, wurde in einem zweiten Beispiel eine geringere Impfeffektivität angenommen“, so das Team um den Forscher Benjamin F. Maier von der Berliner Humboldt-Universität (s. Grafik). Das Ergebnis: Selbst dann ist bei 84 von 100 Ansteckungen mindestens eine ungeimpfte Person beteiligt. Der Übertragungsweg von Geimpften zu Geimpften macht 16 Prozent aus.

Impfquote erhöhen, boostern, Kontakte reduzieren

Beide Szenarien basieren auf aktuellen Impfraten*. Die Veröffentlichung ist ein sogenanntes „Preprint“: Es ist also eine Vorab-Publikation, die noch nicht das sogenannte Peer-Review durchlaufen hat – ein Verfahren, in dem mehrere unabhängige Wissenschaftler:innen eine Arbeit zur Qualitätskontrolle begutachten. Und: Es handelt sich um Modellrechnungen – sie können dementsprechend nur begrenzt die Realität abbilden.

Ziel: Impfquote erhöhen & boostern. Foto: ©iStock.com/peterschreiber.media
Ziel: Impfquote erhöhen & boostern. Foto: ©iStock.com/peterschreiber.media

Nichtsdestotrotz deuten die Ergebnisse darauf hin, „dass eine Minderheit der Bevölkerung (sprich: Personen ohne Impfschutz) einen wesentlichen Teil zur Infektionsdynamik beiträgt“, heißt es in dem Papier. „An 8 bis 9 von 10 Ansteckungen sind Personen ohne Impfschutz beteiligt“, resümieren die Wissenschaftler:innen. Dennoch gilt: „Je effektiver der Impfschutz, desto weniger Ansteckungen werden durch geimpfte Personen verursacht.“ Daher müsse es das Ziel sein, zum einen die Impfquote zu erhöhen und zum anderen die „Effektivität des Impfschutzes“ zu steigern, zum Beispiel „durch Boostern“. Darüber hinaus empfehle es sich, Kontakte zu reduzieren – „v.a. zwischen ungeimpften Personen.“

* Beide Szenarien basieren auf folgenden Impfraten pro Altersgruppe: 0-11 = 0%, 12-17 = 40%, 18-59 = 72%, 60+ = 85%.

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