Wo ständen wir heute – nach fast zwei Jahren Pandemie – ohne Wissenschaftler:innen? Das Coronavirus wäre wohl nie identifiziert und entschlüsselt worden; man wüsste nicht, wie genau es sich überträgt oder wie sich die Menschen schützen können. Impfstoffe, Tests, Medikamente gäbe es sowieso nicht. Kurz: Eine moderne Gesellschaft, eine moderne Medizin ist ohne wissenschaftliche Forschung undenkbar.
Doch gerade die Menschen, die sich dieser Arbeit verschrieben haben, müssen zum Teil um das eigene Leben bangen. In einer Nature-Umfrage berichteten 15 Prozent von 321 Wissenschaftler:innen von Morddrohungen, die sie erhielten, nachdem sie sich in Medien oder Sozialen Netzwerken zum Thema COVID-19 geäußert hatten (s. Grafik). Manche erklärten, sie seien bereits körperlich attackiert worden (2 %). Die Mehrheit (59 %) hatte Angriffe auf die eigene Glaubwürdigkeit erlebt. Andere negative Folgen, von denen die Befragten erzählten, umfassten unter anderem emotionale oder psychische Belastung (42 %), Rufschädigung (30 %) und Gewaltandrohungen (22 %).
Auch in Deutschland machen Wissenschaftler:innen solche Erfahrungen – darunter Virolog:innen wie Christian Drosten, Hendrik Streeck oder Sandra Ciesek. Die Gefahr: dass Menschen sich nicht mehr trauen öffentlich zu sprechen. In der Nature-Befragung äußerten Teilnehmende unter anderem den Wunsch, dass Betreiberfirmen sozialer Netzwerke proaktiver Hassnachrichten entfernen. Einige sehen mehr Training in Sachen Kommunikation und im Umgang mit Drohungen von Nöten. Befragte forderten auch eine bessere Unterstützung seitens der Einrichtungen ein, für die sie arbeiten. Immerhin: 83 Prozent bewerteten trotz allem positiv, dass sie über die Medien ihr Wissen mit der Öffentlichkeit teilen konnten.