Mit Forschung gegen seltene Erkrankungen: Noch viel zu tun

Immer mehr seltene Erkrankungen wie etwa die Leberentzündung Hepatitis D sind behandelbar. Die Fortschritte, die die Forschung in den vergangenen Jahren erzielt hat, sind enorm. Trotzdem gibt es für die große Mehrheit der betroffenen Menschen nach wie vor keine Therapiemöglichkeiten. Es gilt, weiterhin alles dafür zu tun, damit sich das ändert. Laut dem US-amerikanischen Pharmaverband PhRMA sind über 700 Medikamente in der Entwicklung oder auf dem Weg zur Zulassung.

Nur rund 400 Menschen in der ganzen Europäischen Union (EU) leiden an der Metachromatischen Leukodystrophie, eine erbliche Krankheit des Nervensystems. Betroffene Kleinkinder können dadurch ihre Geh- und Sitzfähigkeit verlieren; vielen droht innerhalb weniger Jahre der Tod. Ungefähr 18.000 EU-Bürger:innen leben mit Achondroplasie, einer genetisch bedingten Kleinwuchsform. 2.250 sind von primärer Hyperoxalurie Typ 1 betroffen: Es ist eine Stoffwechselkrankheit, die die Nieren schädigt und zur Insuffizienz des Organs führen kann. So unterschiedlich diese drei seltenen Krankheiten auch sind – sie haben folgendes gemeinsam: Sie können mit Medikamenten, die im vergangenen Jahr neu in die Versorgung in Deutschland gekommenen sind, gezielt behandelt werden.

Orphan Drugs: Komplexe Forschung 

Dass das auch für immer mehr Menschen mit anderen seltenen Krankheiten Realität wird, daran arbeiten Forscher:innen in Universitäten, Instituten und der Industrie weltweit. „Es gibt Hoffnung am Horizont“, meint PhRMA. Denn das Wissen über seltene Krankheiten auf molekularer und genetischer Ebene wächst. „Das treibt die Entwicklung innovativer Therapien […] voran“ (s. Grafik). In der Pipeline sind zum Beispiel Gentherapien für Menschen mit Hämophilie – bei ihnen ist die Blutgerinnung gestört.

Mit Forschung gegen seltene Erkrankungen. Foto: ©iStock.com/Prostock-Studio
Mit Forschung gegen seltene Erkrankungen. Foto: ©iStock.com/Prostock-Studio

Trotzdem ist die Forschung und Entwicklung nach wie vor eine große Herausforderung: Laut PhRMA dauert der Prozess – von klinischer Prüfung bis Zulassung – im Durchschnitt vier Jahre länger als bei Krankheitsbildern, die nicht selten sind. Das liegt unter anderem an der „komplexen Biologie, Heterogenität und fortschreitenden Natur“ vieler „rare diseases“. Oft gibt es noch große Wissenslücken, was zum Beispiel die zugrundeliegenden Ursachen angeht. Zudem stehen Wissenschaftler:innen vor der Aufgabe, klinische Studien mit Proband:innen aufzubauen; es gibt jedoch nur wenige Betroffene – und die sind oftmals über viele Regionen und Länder verteilt.  

Orphan Drug-Status: Klare Kriterien

Um die Forschung im Bereich der rund 8.000 seltenen Erkrankungen zu fördern, wurden sowohl in den USA als auch in Europa in der Vergangenheit Gesetze verabschiedet. So gibt es etwa seit dem Jahr 2000 eine EU-Verordnung, die kurz gesagt die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Refinanzierung für die Unternehmen verbessert – ohne die hohen Anforderungen an klinische Erprobung und Zulassung herunterzuschrauben.

Grundlage bildet der sogenannte Orphan Drug-Status, der unter anderem reduzierte Gebühren bei der Arzneimittelbehörde EMA in Aussicht stellt.

Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen. © vfa / B. Brundert
Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen. © vfa / B. Brundert

Han Steutel, Präsident vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), erklärt in einem Beitrag für den „AMNOG-Report“ der Krankenkasse DAK-Gesundheit: „Die Kriterien für die Anerkennung eines Orphan Drug-Status in der EU sind klar festgelegt. So muss die betreffende Erkrankung lebensbedrohlich oder schwerwiegend und zugleich selten sein. Es dürfen nicht mehr als fünf von 10.000 Personen davon betroffen sein. Eine weitere Voraussetzung ist, dass es keine zugelassenen Therapiealternativen gegen diese Krankheiten gibt. Anderenfalls muss ein Orphan Drug gegenüber einem bereits zugelassenen Arzneimittel in dieser Indikation einen deutlichen Therapievorteil aufweisen. Daraus ergibt sich folgerichtig, dass der Zusatznutzen eines Orphan Drugs als belegt gilt.“

132 Orphan Drugs in der EU

Laut vfa stehen den Patient:innen in der EU derzeit 132 Orphan-Medikamente zur Verfügung. „Hinzu kommen 66 Medikamente gegen seltene Krankheiten, die den Orphan-Status nicht mehr besitzen, weil er verordnungsgemäß nach zehn Jahren abgelaufen ist oder von der Firma zurückgegeben wurde.“ Der vfa weiß: „Obwohl es in den letzten Jahren im Markt deutlich mehr Orphan Drugs geworden sind, entfallen auf sie pro Jahr nicht mehr als 4,4 Prozent der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen.“ 

Die gezielte Förderung von Orphan Drugs sei eine „Erfolgsgeschichte“, betont Steutel. „Sie sollte weiterhin Bestand haben, um den Zugang zu Medikamenten für seltene Erkrankungen in Deutschland und anderen Ländern zu verbessern. Alles andere würde am Ende weniger Forschung bedeuten und das in einem Gebiet, wo der medizinische Bedarf für die Patienten und Patientinnen anhaltend hoch ist.“

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