Langzeitfolgen: Post-COVID kann jeden treffen

Menschen, die aufgrund von COVID-19 auf einer Intensivstation lagen, sind für ihr Leben gezeichnet. Aber auch Betroffene mit milderen Verläufen können lange mit Spätfolgen der Erkrankung zu kämpfen haben. Das „IQVIA Institute for Human Data Science“ hat einen Bericht veröffentlicht, der dem sogenannten Post-COVID-Syndrom auf die Spur geht. Er zeigt: Post-COVID zu unterschätzen wäre ein Fehler.

Drei Reportagen hat der Mediziner und Moderator Eckart von Hirschhausen im Zuge der Pandemie gemacht: In der ersten Ausgabe besuchte er eine Intensivstation; in der zweiten war er ein Impfproband – und zuletzt widmete er sich Menschen, die noch Wochen und Monate später unter Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung leiden (s. ARD Mediathek). Wenn nach dieser dritten Doku eines in Erinnerung bleibt, dann das: Long- bzw. Post-COVID kann jeden treffen. Da ist etwa eine 35-Jährige, die bereits alltägliche Aufgaben wie Duschen und Telefonieren an ihre Belastungsgrenze bringen. Oder eine Physiotherapeutin und begeisterte Sportlerin, die sich auch nach Genesung von der akuten Erkrankung fühlt, als habe ihr Körper „neue Spielregeln“, bei denen sie „kein Mitspracherecht“ hat. 

„Hinter jeder heiß diskutierten Welle gibt es eine stumme Welle, über die kaum gesprochen wird“, so Hirschhausen. „Alle Menschen, die nach einer Infektion nicht richtig genesen, sondern krank und angeschlagen zurückbleiben. Während die Impfgegner von Langzeitschäden der Impfung schwadronieren, die aus dem Nichts auftauchen könnten – was faktisch nicht der Fall ist –, reden wir viel zu selten über die Menschen, deren Langzeitschäden ganz real sind: neurologische Ausfälle, Erschöpfungszustände, Atemnot und Herzprobleme.“

Post-COVID hat viele Gesichter

Laut dem Bericht des IQVIA Institute ist „Post-COVID“ ein „Sammelbegriff für die große Bandbreite an physischen und mentalen Gesundheitsproblemen, die wenigstens vier Wochen nach der Infektion mit SARS-CoV-2 bestehen.“

Post-COVID hat viele Gesichter. Foto: ©iStock.com/kieferpix
Post-COVID hat viele Gesichter. Foto: ©iStock.com/kieferpix

Sie können verschiedene Organsysteme im Körper beeinflussen – das Herz-Kreislauf-System, das Nervensystem, die Atemwege oder auch Magen und Darm (s. Grafik). So berichten Betroffene etwa von andauernder Müdigkeit, Gedächtnisverlust, Verwirrtheit oder Kopfschmerz („Hirnnebel“). Andere potenzielle Komplikationen: Herzmuskelentzündung, Schlaganfall, Depression, aber auch Hautausschläge, Tinnitus und Gelenkschmerzen. Eine Coronainfektion kann zudem eine bestehende Grunderkrankung wie Asthma verschlechtern – und womöglich neue Leiden wie Diabetes auslösen. Kinder können ein systemisches Entzündungssyndrom entwickeln – mit Lymphknotenschwellungen, Gefäßentzündungen oder Entzündungen der Organe (s. Pharma Fakten).

Warum solche Komplikationen auftreten, dafür gibt es unterschiedliche Erklärungsversuche. Ein Grund ist das Virus selbst, das Schäden im Körper anrichtet und dort zu Veränderungen führt. Ein anderer Grund ist die Angst und Anspannung, die Menschen angesichts von COVID-19 oder von Lockdown-Maßnahmen empfinden. Außerdem können medizinische Verfahren – wie bestimmte Medikamente oder künstliche Beatmung – die in der Behandlung Betroffener zum Einsatz kommen, Nebenwirkungen haben. Nicht auszuschließen ist zudem, dass auch Leiden als Post-COVID erfasst werden, die es eigentlich gar nicht sind: Die Patient:innen wussten nur vor ihrer Infektion nichts davon. 

Post-COVID: Noch viel zu lernen

Noch tappt die Wissenschaft in Sachen Post-COVID an vielen Stellen im Dunkeln. Laut Daten des Beratungsunternehmens IQVIA hatten mindestens 22 Prozent der bis Juni 2021 erfassten US-amerikanischen COVID-19-Patient:innen wenigstens ein Gesundheitsproblem, das noch 90 Tage nach der COVID-19-Diagnose bestand. Das zeigt: Die immer größer werdende Last, die Post-COVID für Gesundheitssysteme weltweit bedeutet, ist nicht zu unterschätzen. Daher braucht es weitere Forschung, um das Syndrom und seine Folgen besser zu verstehen und damit umgehen zu können, so das IQVIA Institute.

Was heute bereits glasklar ist: Impfstoffe können vor COVID-19 – und damit auch vor möglichen Spätfolgen – schützen. Und auch wenn noch keine Evidenz vorliegt, so gibt es doch Hoffnung, dass die Vakzine zudem helfen, langfristige Komplikationen einer akuten Erkrankung zu lindern. „Jüngste Studien weisen darauf hin, dass fast 30 Prozent bis 40 Prozent aller geimpften Post-COVID-Patient:innen nach der Impfung eine Erholung von ihren Symptomen erlebten“, heißt es in dem Bericht. Und: „Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich zeigte, dass nur fünf Prozent der Menschen, die nach Impfung an COVID-19 erkrankten, für vier Wochen oder länger an Symptomen litten.“

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