Arzneimittelentwicklung: Langwierig und teuer

Neue Arzneimittel zu entwickeln ist ein kostenintensiver, aufwendiger, risikoreicher und langwieriger Prozess. Allein die klinische Phase III der Entwicklung verschlingt fast 30 Prozent der Investitionen.

Die Entwicklung von mehreren hochwirksamen, sicheren, sehr gut verträglichen und qualitativ hochwertigen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 in weniger als zwölf Monaten ist eine „unfassbare Erfolgsgeschichte“, schreibt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in seiner Publikation „Pharma-Daten 2021“. Und auch das Arsenal von Therapeutika, das den Ärzt:innen zur Behandlung von COVID-19-Symptomen zur Verfügung steht, wächst.

Das aber darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass „bei der Medikamentenentwicklung von rund 10.000 Molekülen, die am Anfang als Wirkstoff in Frage kommen könnten, […] es in der Regel nach etwa acht bis zwölf Jahren gerade eine Substanz“ schafft, den Segen der Zulassungsbehörden zu erhalten. Auch im 21. Jahrhundert – und trotz der Erfolge in der Pandemie – gilt der Merksatz: Die Forschung und Entwicklung (F&E) innovativer Medikamente misst sich nicht in Monaten, sondern in Jahren.

Rund 44% der F&E-Kosten fließen in klinische Studien. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff
Rund 44% der F&E-Kosten fließen in klinische Studien. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff

Die klinischen Studien: Der größte Ausgabenblock bei den F&E-Kosten

Die Entwicklung neuer Arzneimittel läuft in klar definierten Phasen ab (s. Grafik). In der Präklinik finden Laborversuche statt und werden grundsätzliche Fragen der Toxizität, der Wirksamkeit und der Pharmakologie geklärt. Sie verschlingt nach einer Mitglieder-Umfrage des US-Pharmaverbandes PhRMA rund 15 Prozent der gesamten F&E-Kosten eines Wirkstoffkandidaten.

Erst dann beginnen die drei Phasen der klinischen Prüfungen, die insgesamt mit rund 44 Prozent den größten Kostenblock ausmachen. Fast jeder zweite Forschungseuro wird hier eingesetzt. Am teuersten dabei sind Phase III-Studien: Sie allein haben einen Kostenanteil von 27 Prozent. Erst wenn hier die Studienziele erreicht wurden – etwa eine höhere Wirksamkeit oder geringere Nebenwirkungen gegenüber einer bereits bestehenden Therapie – ist der Weg frei für den Zulassungsantrag.

Doch was kostet nun die Entwicklung eines neuen Arzneimittels? Der US-Ökonom Joseph DiMasi schätzt sie mittlerweile auf rund zwei Milliarden US-Dollar. Die Zahl berücksichtigt die gesamten Entwicklungskosten für neue chemische oder biologische Verbindungen bezogen auf die tatsächlich neu zugelassenen Arzneimittel – und damit auch, so der BPI, die „hohe Zahl fehlgeschlagener Entwicklungen sowie, entsprechend den betriebswirtschaftlichen Standards, auch die sogenannten Opportunitätskosten, d. h. Erträge, die man mit dem eingesetzten Kapital in der Entwicklungszeit hätte erreichen können, wenn es nicht in die Entwicklung eines neuen Arzneimittels investiert worden wäre.“ DiMasis Projektion wird kontrovers diskutiert – dabei berücksichtigt sie lediglich das, was für andere Branchen auch gilt. Und gerade für die Pharmaindustrie mit ihren sehr langen Entwicklungszeiten gilt, dass die Opportunitätskosten besonders hoch sind.

F&E-Kosten: Keine einheitlichen Kriterien

Auch Wissenschaftler:innen des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sind der Frage nachgegangen, was die Entwicklung eines neuen Arzneimittels kostet. Dabei wurde deutlich, dass es keine einheitlichen Kriterien gibt, nach denen die F&E-Kosten gemessen werden. Gerade in welchem Umfang die Parameter Misserfolge (wie viele gescheiterte Versuche stecken hinter einer Neuzulassung?) und Entwicklungszeiten (wie lange ist die Zeitspanne zwischen Identifizierung eines Wirkstoffes und seiner Zulassung?) in die Berechnungen einfließen, hat erheblichen Einfluss auf das Endergebnis, so das DKFZ. Die Einbeziehung dieser beiden Faktoren führt zu deutlich höheren, aber aus Investorensicht realistischeren Schätzungen. Je nachdem, welche Parameter zugrunde liegen, kommt das DKFZ zum Beispiel für die Entwicklung eines neuen Krebsmedikaments auf eine Spanne zwischen 802 Millionen Euro und 3,86 Milliarden Euro, die notwendig sind, damit aus einer Idee ein neues Therapeutikum wird, von dem Patient:innen profitieren können.

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