Konstant: Kostenanteil innovativer Arzneimittel in der GKV

Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für patentgeschützte Arzneimittel sind immer einen Aufreger wert. Allerdings ist ihr Anteil an den Gesamtausgaben für Arzneimittel in diesem Jahrtausend erstaunlich konstant geblieben: In den Jahren 2001 bis 2018 schwankte er zwischen 41,8 und 47,7 Prozent. 2018 lag er bei 46,2 Prozent.

Für die gesetzlichen Krankenkassen sind die Ausgaben für Arzneimittel der drittgrößte Batzen: Nur für den Betrieb von Deutschlands Krankenhäusern und den Arzthonoraren gibt die GKV mehr Geld aus als für Arzneimittel und deren Distribution (Ausgaben für Großhandel und Apotheken). Und auch dieser Kostenblock lässt sich noch einmal unterteilen: In den Markt patentfreier Arzneimittel (überwiegend Generika; über die Hälfte der Ausgaben) und den Markt der patentgeschützten Medikamente. Ihr Kostenanteil schwankt seit dem Jahr 2001 im Bereich von rund sechs Prozentpunkten. Wie die Grafik zeigt, lässt sich damit eine Kurve nicht zeichnen.

Konstant: Kostenanteil innovativer Arzneimittel in der GKV. Foto: © iStock.com/ismagilov
Konstant: Kostenanteil innovativer Arzneimittel in der GKV. Foto: © iStock.com/ismagilov

Trotzdem sind gerade den Krankenkassen die Kosten patentgeschützter Arzneimittel ein Dorn im Auge; sie machen sie gerne als Hauptverursacher für Kostensteigerungen verantwortlich. Auf der Präsentation des Arzneimittelverordnungs-Reports 2019 erklärte einer der Herausgeber, der Pharmakologe Prof. Ulrich Schwabe, dass sich der Kostenanteil der patentgeschützten Arzneimittel in den vergangenen 20 Jahren von 33 auf 47 Prozent erhöht habe. Das Problem ist: Die 33 Prozent sind schlicht falsch, weil sie nur einen Teil der patentgeschützten Arzneimittel berücksichtigen. Dahinter steckt, was man freundlich mit Zahlenakrobatik, aber wohl richtigerweise eher als Zahlenmanipulation bezeichnen müsste.

Zahlenakrobatik führt zu falschen Ergebnissen

Schwabe bezieht sich damit offenbar auf das Jahr 1999 (33,9 %). Zu dieser Zeit flossen aber nicht alle patentgeschützten Arzneimittel in diese Anteilsrechnung ein, sondern nur ein Teil davon. 1986 war in Deutschland die pharmakologische Bewertung neuer Wirkstoffe von Uwe Fricke und Wolfgang Klaus eingeführt worden. Seitdem wurden neu zugelassene patentgeschützte Präparate nach ihrem Innovationsgrad bewertet und klassifiziert. Bereits auf dem Markt befindliche, patentgeschützte Medikamente wurden aber nicht nachträglich bewertet und flossen auch zunächst nicht in die Anteilsrechnung mit ein. 

Foto: ©iStock.com/dragana991
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Darauf hatten die Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Dieter Cassel und Prof. Dr. Volker Ulrich in einem Gutachten für den Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) bereits 2012 aufmerksam gemacht: „Der AVR setzt die durch Fricke/Klaus bewerteten patentgeschützten Arzneimittel einfach mit der Gesamtheit aller patentgeschützten Arzneimittel gleich […].“ Das führe dazu, „dass die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel zunächst unterschätzt und dadurch ihr Umsatzwachstum […] über die Jahre hinweg überschätzt werden.“ Cassel und Ulrich gehen davon aus, dass „die Statistik erst etwa ab dem Jahr 2000/2001 aussagefähig“ ist – so wie sie die Pharma Fakten-Grafik zeigt. 

Wesentlicher Kostentreiber? Das geben die Zahlen nicht her

Bei der Präsentation des AVR 2018 im vergangenen Jahr hieß es in der Presseerklärung: „Hauptursache dieses Anstiegs [Anm. der Red.: gemeint sind die Arzneimittelausgaben der GKV] sind die patentgeschützten Arzneimittel.“ Auf Seite 7 des 900-Seiten-Werkes hingegen ist zu lesen: „Allerdings sind die Umsätze patentgeschützter Arzneimittel 2017 nur geringfügig gestiegen.“ 

Ein Jahr später ist ihr Anteil wieder etwas höher (plus 1,7 Prozentpunkte). Trotzdem halten die AVR-Autoren (S. 15) fest: „In den letzten beiden Jahren hat sich die Wachstumsdynamik der Patentarzneimittel jedoch abgeschwächt.“ In der begleitenden Pressemitteilung für den AVR 2019 heißt es aber: „Patentgeschützte Arzneimittel sind die wesentlichen Kostentreiber.“ Offenbar geht man bei den Herausgebern davon aus, dass sich niemand die Mühe macht, in das Hauptwerk zu schauen.

Tatsache ist: Sollte die seit Jahren vorgebrachte Hauptargumentation der AVR-Autoren stimmen, dass patentgeschützte Arzneimittel ein wesentlicher Kostentreiber sind, müsste der Anteil der patentgeschützten Präparate an den Gesamtausgaben für Arzneimittel konstant ansteigen. Die Pharma Fakten-Grafik zeigt: Das tut er aber nicht.

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